Zu wenige Betten für Ebola-Patienten
24. September 2014"Es gibt eine Menge Treffen und Sitzungen auf europäischer Ebene, auf internationaler Ebene und mit den Regierungen der von Ebola betroffenen Länder", sagte Phillipe Maughan von der EU-Hilfsorganisation ECHO nach seiner Rückkehr von einer kurzen Rundreise durch Liberia und Sierra Leone. "Was fehlt, sind die Menschen, die an der Front, in vorderster Linie bei der Ebola-Bekämpfung stehen", beklagt der EU-Vertreter. Die Chefin der internationalen Hilforganisation "Ärzte ohne Grenzen", Joanne Liu, drückte es bei einer Anhörung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf drastischer aus: "Die Welt verliert den Kampf. Die politische Führung geht mit der grenzübergreifenden Bedrohung nicht richtig um. In Westafrika steigt die Zahl der Toten. Gewalt bricht aus. Die Isolier-Stationen werden überrannt." Lius Ärzte-Organisation behandelt rund zwei Drittel aller Ebola-Patienten in Westafrika. Bezahlt werden die "Ärzte ohne Grenzen" auch aus Mitteln der EU-Kommission in Brüssel.
"Wir haben keine medizinischen Bataillione"
Am Geld liegt es nicht, da sind sich EU-Kommission und die Nichtregierungsorganisation einig. Es fehlt an geeignetem Personal. "Ärzte ohne Grenzen hat die Alarmglocken seit Monaten geläutet. Die Antwort kam zu spät und war zu klein", schimpfte Joanne Liu bei der WHO-Tagung. Der EU-Koordinator Phillipe Maughan gesteht im Gespräch mit der DW zu: "Ich denke, die internationale Antwort war möglicherweise langsam." Aber er setzt gleich hinzu, dass es in Europa oder sonst wo, keine ständig verfügbaren Notfall-Mannschaften gibt. "Es sind keine einsatzbereiten medizinischen Bataillione verfügbar. Die müssen erst organisiert werden. Die Logistik muss stimmen und Freiwillige müssen gefunden werden. Bei Ebola ist das nicht einfach, weil die Seuche eben sehr gefährlich ist", so Philippe Maughan. Mittlerweile sei die internationale Gemeinschaft aber dabei, ihre Hilfsleistungen zu beschleunigen. Es werde aber noch bis Ende des Jahres dauern, vielleicht sogar bis Mitte nächsten Jahres, bis die Zahl der neuen Infektionen mit Ebola deutlich zurückgehen werde, schätzt EU-Experte Maughan. Er rechnet mit mindestens 20.000 Infizierten. Nach heutigem Stand sind es rund 5900.
Zahl der Infizierten wird weiter steigen
"Das Problem ist, dass die Krise noch weiterhin exponentiell explodiert. Die lineare Steigerung von Hilfe reicht in diesem Sinne nicht aus, besonders bei der Bettenzahl in den Ebola-Behandlungszentren", meint dazu der stellvertretende Generaldirektor der EU-Behörde für Entwicklungshilfe, Marcus Cornaro. Auch er hat sich in den letzten Tagen selbst ein Bild der Lage in Liberia und Sierra Leone gemacht. Die Soldaten, die die USA und auch Deutschland jetzt schicken wollen, werden dringend benötigte Behandlungszentren aufbauen, aber sie werden sie nicht betreiben. Dazu braucht man medizinisch geschultes Personal. Die Hilfsorganisationen sind auch auf das medizinische Personal, Fahrer, Transportarbeiter und Leichenbestatter vor Ort angewiesen.
Dieses Personal anzuheuern, ist aber sehr schwer. Denn die Menschen vor Ort sehen ja, dass auch Hilfskräfte und Ärzte an Ebola sterben, sagte der Botschafter Sierra Leones in Brüssel, Ibrahim Soire, am Dienstag bei einer Anhörung im Europäischen Parlament. "Das Virus tötet leider auch Menschen, die im Gesundsheitswesen arbeiten. Bis heute haben wir 34 unserer mutigen Mitarbeiter, darunter vier Ärzte, verloren. Das macht natürlich Angst. Das führt zu Problemen im Gesundheitswesen, auch bei anderen Krankheiten als Ebola. Die meisten privaten Krankenhäuser haben wegen Ebola ihren Betrieb eingeschränkt oder ganz geschlossen", berichtete Ibrahim Soire.
Mehr Disziplin dämmt die Seuche ein
Mit noch so massiver Hilfe von außen allein werde man die Infektionskette nicht unterbrechen können, glaubt Marcus Cornaro von der EU-Kommission. Entscheidend sei die Aufklärung und Mitwirkung der Bevölkerung. Neue Infektionen könnten beim Ebola-Virus, das ja nicht über die Luft, sondern durch Körperflüssigkeiten übertragen wird, mit drastischen Vorsichtsmaßnahmen verhindert werden. "Das Element, das einfach unerläßlich ist, ist die Verantwortung der Haushalte, der traditionellen Strukturen, der Kirchen und der lokalen Behörden, zu verstehen, dass dies kein Übel ist, das von außen hereingeschleppt wird. Mit der nötigen Disziplin und Hygiene sowie Schutzkleidung für die Pflegenden wird das schon zu bewältigen sein." Ausgangssperren, Grenzschließungen oder eine Unterbrechung der Flugverbindungen hält Marcus Cornaro für völlig übertrieben. Handdesinfektion, Fiebermessen und eine ordentliche Bestattung der hoch ansteckenden Toten seien viel sinnvoller. Es müsse lückenlos verfolgt werden, mit wem Infizierte Kontakt hatten.
Ebola kann zu weiteren Krisen führen
Im Gespräch mit der DW widerspricht der stellvertretende Generaldirektor in der EU-Kommission der Auffassung der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen". Es gehe nicht darum, dass hier Bürokraten auf ihren Schecks säßen und nichts täten. "Wir haben einigen guten Zuspruch von Mitgliedsstaaten. Natürlich wünscht man sich aus Sicht der EU-Kommission immer, dass noch mehr mobilisiert wird. Ich bin auch zuversichtlich, dass das kommt, sei es medizinisches Personal, Logistik oder Ausrüstung", sagte Marcus Cornaro. Großbritannien, Frankreich und Deutschland hätte Zusagen gemacht, die jetzt auch eingelöst werden müssten. Insgesamt 150 Millionen Euro stehen der EU-Kommission zur Verfügung. Rund 100 Millionen davon fließen direkt als Haushaltshilfe in die Budgets der betroffenen Staaten.
Die westafrikanischen Staaten müssten jetzt mit Hilfe der EU ihr Gesundheitswesen wieder zum Laufen bringen und den Transport von Nahrung organisieren. Beide EU-Vertreter, Marcus Cornaro und Philippe Maughan, warnen schon jetzt davor, dass es ohne ordentliche Ernte in diesem Jahr schon bald zu schweren Engpässen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln kommen könne. Die Wirtschaftsleistung in Westafrika bricht derzeit ein. Selbst wenn Ebola eingedämmt werde, würden die nächsten Krisen, die die Bekämpfung des Virus ausgelöst habe, noch lange nachwirken. Die EU bereitet sich deshalb darauf vor, die Entwicklungshilfe für die Region in den kommenden Jahren zu steigern.