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EU-Außenminister sehen Türkei mit Sorge

Andrea Rönsberg, Brüssel18. Juli 2016

In Brüssel sind die EU-Außenminister zusammengekommen, erstmals mit Boris Johnson für Großbritannien. Beherrschendes Thema: die Lage in der Türkei. Die EU fürchtet um den Verlust von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

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Britischer Außenminister Boris Johnson
Bild: Reuters/F. Lenoir

Vor wenigen Wochen hatte Boris Johnson noch gegen die EU gewettert und den Austritt Großbritanniens mit markigen Sprüchen betrieben. Doch bei seinem ersten Auftritt im Kreis der europäischen Außenminister gab sich Johnson ganz als Staatsmann, der in wohl abgewogenen Worten wenig sagt. Was die Türkei anginge, sagte Johnson, sei es wichtig, dass man "Zurückhaltung und Mäßigung" sehe.

Jean Asselborn, der deutlich amtserfahrenere Kollege aus Luxembourg, wurde da schon deutlicher: "Was in der Türkei mit den Richtern passiert, das entspricht nicht dem, was man von einem Rechtsstaat erwartet", kritisierte Asselborn und warnte, dass sich die "Zukunft der Türkei" in diesen Tagen entscheide.

Nach dem Putschversuch Freitagnacht waren bis Sonntag in der Türkei nach Angaben der Regierung 6.000 Menschen unter Putschverdacht festgenommen worden, darunter auch Richter und Staatsanwälte. Mehr als 2.700 Richter waren abgesetzt worden.

"Das war vorbereitet!"

"Was wir da sehen, hat mit einem Rechtsstaat nichts mehr zu tun", sagte ein niedergeschlagen wirkender Johannes Hahn, der Erweiterungskommissar der EU. Dass es unmittelbar nach dem Putsch schon Verhaftungs-Listen gab, deutet aus seiner Sicht daraufhin, "dass sie bereits vorbereitet waren, um in einem solchen Moment verwendet werden."

Frankreichs AußenministerJean-Marc Ayrault hatte am Sonntag in einem Interview noch die Glaubwürdigkeit der Türkei in Frage gestellt. Doch bei seiner Ankunft in Brüssel klang er verhaltener. Die Türkei laufe Gefahr, auf dem Weg der Demokratisierung "einen Schritt zurückzumachen."

Warnung an Erdogan in gemäßigten Worten

Die Botschaft, die die Außenminister zum Ende ihres Treffens an die Türkei senden werden, wird wohl ähnlich gemäßigt ausfallen. Aus Diplomatenkreisen war zu erfahren, es solle zum Ausdruck gebracht werden, dass die EU den Rechtsstaat unterstützt und dass Erdogan gewarnt werden soll, sein Blatt nicht zu überreizen.

Doch die EU hat wenig in der Hand, um Druck auf den türkischen Staatspräsidenten auszuüben, ist sie doch darauf angewiesen, dass die Türkei den im März vereinbarten Deal zur Rücknahme von Flüchtlingen nicht platzen lässt. Auch im Kampf gegen die Terrororganisation IS braucht man die Türkei.

Tornado der deutschen Luftwaffe auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik
Von der türkischen Basis Incirlik nahe der syrischen Grenze aus fliegen auch deutsche Tornados Angriffe gegen die Terrororganisation IS.Bild: picture-alliance/dpa/T. Schwarz

Als einziges Druckmittel kämen die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in Frage, die unter diesen Umständen nicht weitergeführt werden könnten, und die im Rahmen des Flüchtlingsdeals in Aussicht gestellte Visafreiheit für die Türken, die nicht gewährt werden könnte. "Aber die Beitrittsverhandlungen liegen ohnehin so gut wie auf Eis, und jeder weiß, dass es auch die Visafreiheit erst in ferner Zukunft geben wird", meint Jan Techau vom Thinktank Carnegie Europe.

Gespräch mit Kerry

Am Nachmittag wird endgültige Klarheit herrschen, wie deutlich die Formulierungen sind, welche die EU-Außenminister sich trauen, an die Türkei zu richten. Zur Stunde sitzen die Außenminister mit ihrem US-Amtskollegen John Kerry zusammen. Das Verhältnis zur Türkei soll in dem Austausch ebenso eine Rolle spielen, wie der Terrorismus und der Kampf gegen den IS.