1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Zweifel an Balkan-Vorstoß

Barbara Wesel Wien
31. August 2018

Die Außenminister der EU sehen den vorgeschlagenen Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo überwiegend skeptisch: Stelle man Grenzen infrage, werde die Büchse der Pandora geöffnet. Aus Wien Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/34690
Grenze zwischen Kosovo und Serbien
Bild: picture-alliance/dpa/N. Sokolov

Gastgeberin Karin Kneissl atmet ganz den Geist des Wiener Kongresses, der 1814 nach den napoleonischen Kriegen Europa neu geordnet hatte. Neben den Verhandlungen hieß es damals: "Der Kongress tanzt". Die österreichische Außenministerin sieht sich ganz in dieser Tradition. Spott und Kritik an den politischen Aspekten ihres Hochzeitstänzchens mit Waldimir Putin vor zwei Wochen hatte sie schon ungerührt weggesteckt. Nach dem Abendessen mit ihren EU-Kollegen am Donnerstag in Wien führte sie jetzt noch den Briten Jeremy Hunt sowie die Außenminister aus Griechenland, Polen und Rumänien zu Samba und Bossanova aufs Parkett, berichtete sie, von sich selbst begeistert. Bundesaußenminister Heiko Maas muss sich wohl gedrückt haben. "Diplomatie ist mehr, als sich gegenseitig policy notes um die Ohren hauen", verteidigte Kneissl ihren bewegungsfreudigen Politikstil.

Österreich EU-Außenministertreffen in Wien | Außenministerin Karin Kneissl
"Diplomatie ist mehr...": Österreichs Außenministerin Karin KneisslBild: picture-alliance /picturedesk.com/K. Schöndorfer

Zweifel an serbisch-kosovarischen Plänen

Neben den Lockerungsübungen der Österreicherin allerdings gab es die übliche lange Liste außenpolitischer Krisen zu besprechen. Zum Balanceakt im Verhältnis zum Iran, der Finanzierung der Palästinenserbehörde und der Angst vor einem Endkampf im syrischen Idlib gesellt sich nun ein neuer Anlass für Kopfschmerz: der jüngste Vorstoß der Präsidenten Alexandar Vucic und Hashim Thaci für einen Gebietstausch zwischen Serbien und Kosovo. Dabei soll ein Teil des nördlichen Kosovo, der vorwiegend von Serben bewohnt ist, gegen das Presovo-Tal im Süden Serbiens getauscht werden, wo vor allem albanisch-stämmige Menschen leben. Der Sprengstoff liegt hier darin, dass nicht einfach umstrittene Gebiete die Zugehörigkeit wechseln könnten, sondern dass dies entlang ethnischer Linien geschehen soll.

Drei frühere Sonderbeauftragte für die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens, der Schwede Carl Bildt, der Brite Paddy Ashdown und der Deutsche Christian Schwarz-Schilling haben deshalb einen Protestbrief an Federica Mogherini, die Top-Diplomatin der EU, geschrieben: Sie kritisieren den vorgeschlagenen Deal und erklären, dass "dauerhafter Friede nur in einer multi-ethnischen Gesellschaft" geschaffen werden könne.

Österreich EU-Außenministertreffen in Wien | Deutscher Außenminister Heiko Maas
"Nicht zielführend": Bundesaußenminister Heiko MaasBild: picture-alliance/APA/picturedesk.com/R. Schlager

Auch die Bundesregierung hat Zweifel an dem Vorstoß: Angela Merkel betont, die territoriale Integrität in der Region, so wie sie geschaffen wurde, müsse erhalten bleiben. Und Außenminister Heiko Maas fügte in Wien hinzu, dieser Gebietstausch sei "nicht zielführend, denn zu viele alte Wunden in der Bevölkerung" würden wieder aufgerissen. Auch sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn, ein Freund klarer Worte, warnt davor, "dass man hingeht und die Region in Stücke schneidet".  Das könne negative Folgen für andere haben, etwa wenn sich die Republica Srpska in Bosnien-Herzegowina ermutigt fühlen würde, sich Serbien anzuschließen oder der russische Präsident Putin den Fall als Anreiz betrachten könnte, die Annexion der Krim zu rechtfertigen.

Mogherini rudert zurück

EU-Spitzendiplomatin Federica Mogherini stand zunächst im Verdacht, der Idee des serbisch-kosovarischen Gebietstausches positiv gegenüberzustehen. In Wien aber ruderte sie erkennbar zurück. Es gehe vor allem darum, den begonnenen Dialog zwischen beiden Hauptstädten zu schützen und zu fördern. Sie wolle die sehr schwierigen Gespräche nicht durch Vorab-Festlegungen stören, bestätigte aber ihr Treffen am nächsten Freitag in Brüssel mit den beiden Präsidenten Vucic und Thaci. Mogherini will dabei "jedes Ergebnis" unterstützen, vorausgesetzt, es steht im Einklang mit internationalem und EU-Recht. Und das bedeute Widerstand gegen alles, was auf ethnisch einheitliche Staaten ausgerichtet sei - eine diplomatisch verklausulierte Absage an die Pläne zur "ethnischen Bereinigung" von Gebieten auf beiden Seiten.

SEAE Mogherini - Vucic - Thaci -Treffen in Brüssel
Will "jedes Ergebnis unterstützen": Federica Mogherini im Juli 2018 zwischen den Präsidenten Vucic (l.) und Thaci (r.)Bild: picture-alliance/AA/EU POOL

Was ist stattdessen Ziel ihrer Verhandlungen? Es gehe um eine Vereinbarung, sagt Mogherini, die "alle offenen Probleme" lösen werde, und dabei bezieht sie die ausstehende Anerkennung Kosovos ausdrücklich ein. Und der Zeitplan ist ehrgeizig, denn sie hofft auf einen Erfolg innerhalb der nächsten Monate, jedenfalls bis Ende dieses Jahres.

Signal der EU an Belgrad und Pristina

Das Signal, das die EU-Außenminister von Wien aus an Alexandar Vucic und Hasim Thaci senden, heißt eindeutig, dass die beiden Regierungen ihre Energie lieber für eine Lösung der ausstehenden Probleme, die Versöhnung und den Ausgleich einsetzen sollten. Die Idee der beiden Präsidenten für den Gebietstausch findet keine Unterstützung. Es gebe genug ungelöste Fragen, wie Verbesserungen beim Schutz ethnischer Minderheiten oder die Lösung offener Eigentumsfragen, sagen die Minister.

Auch Erweiterungskommissar Johannes Hahn spricht sich jetzt dafür aus, dass die Westbalkanländer zunächst andere Fragen angehen sollten. Serbien ist bereits Beitrittskandidat der EU, wobei Fortschritte solange blockiert sind, bis Belgrad sich durchringen kann, die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz Kosovo anzuerkennen. Ende der 90er Jahre hatte dort ein blutiger Krieg 13.000 Todesopfer gefordert. Die seitdem ungelöste Situation zwischen beiden Serbien und dem Kosovo gilt als schwierigster "frozen conflict", der aus der Zeit der militärischen Auseinandersetzung im früheren Jugoslawien zurück geblieben ist.

Westbalkanstaaten hoffen auf EU-Beitritt

Wenn wirklich Hoffnung besteht, ihn in den nächsten Monaten zu entschärfen, wäre das ein großer diplomatischer Erfolg der EU. Aber wie der Vorstoß der Präsidenten Vucic und Thaci zeigt, haben sie Ideen, die nicht mit den Wünschen der Europäern übereinstimmen. "Jede Lösung auf dem Balkan, die mehr Stabilität bringt, ist willkommen", sagt der Erweiterungskommissar, dessen Arbeit mit Serbien und dem Kosovo nach wie vor blockiert ist. Ob es gelingt, den politischen Knoten zu durchschlagen, ohne neue Konflikte zu schaffen, ist allerdings noch offen.