Europaparlament fordert Regierungen zum Handeln auf
20. Mai 2015"Verhindert das Ertrinken im Mittelmeer, aber bringt die Menschen nicht zu uns!", so brachte der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans im Europaparlament den aktuellen Streit gleich auf den Punkt. Diese Haltung kennzeichne die Politik verschiedener EU-Mitgliedsländer in punkto Flüchtlingspolitik. Vor zwei Wochen hatte die Kommission ihre Vorschläge für eine neue gemeinsame Strategie präsentiert, die zunächst auf große Zustimmung gestoßen waren. Allerdings schien der Plan eine Art 'langsamen Zünder' zu enthalten, denn in den vergangenen Tagen distanzierten sich immer mehr EU-Regierungen insbesondere von der vorgeschlagenen Quote zur Verteilung der geretteten Flüchtlinge.
Großbritannien machte sofort von seinem "Opt-Out" Gebrauch, Spanien will aus wirtschaftlichen Gründen keine Migranten aufnehmen und auch von Frankreich kam zuletzt ein klares Nein. Nach der Quotenregelung müssten die Franzosen 14 Prozent der eintreffenden Flüchtlinge aufnehmen, Spanien 9 Prozent und Deutschland 18 Prozent. Abgesehen von dem Streit über die künftige Verteilung: Um zumindest eine Sofortlösung für 20.000 Kriegsflüchtlinge zu schaffen, die derzeit in Lagern warten, will die EU-Kommission den in Artikel 78, Abs. 3 des EU-Vertrages enthaltenen Notfallmechanismus aktivieren. Der sieht vor, dass die Mitgliedsländer die anerkannten Flüchtlinge dann aufnehmen müssten.
Das Europaparlament ist für einen Politikwechsel
Im Europaparlament dagegen ist die Stimmung mehrheitlich für mehr Solidarität in der Flüchtlingspolitik und für eine neue gemeinsame Politik. Der deutsche CSU-Abgeordnete Manfred Weber lobte als Chef der EVP-Fraktion ausdrücklich die EU-Kommission und ihren Versuch, einen Vorschlag aus einem Guss vorzulegen. Auch in den Reihen der Christdemokraten und Konservativen gebe es zu Details noch heftige Diskussionen, im Prinzip aber sehe er im Parlament über die Fraktionen hinweg einen klaren Willen zur Veränderung. Weber betonte dabei, einige Aspekte seien besonders wichtig, damit auch die europäischen Bürger die Flüchtlingspolitik akzeptieren könnten: So müssten etwa abgelehnte Asylbewerber endlich konsequent auch wieder abgeschoben werden, sonst würden auch andere Regelungen unglaubwürdig.
Darüber hinaus begrüßen die konservativen Volksparteien besonders, dass neben der Abschiebung auch eine bessere Sicherung der EU-Außengrenzen geplant sei und die Schlepperbanden im Rahmen eines gemeinsamen Marine-Einsatzes bekämpft werden sollen. Deutliche Kritik übte Weber dabei an den Regierungschefs einiger Mitgliedsländer und der "Fülle von Nein-Sagern, die nur kleinkrämerisch die eigenen Interessen" im Blick hätten, was die Quotenregelung betreffe.
Wenn der Vorschlag scheitert, sind die EU Regierungen schuld
Auch der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Gianni Pitella, appellierte an die Regierungschefs: "Vertun Sie diese Chance nicht"! Die EU könne in der Flüchtlingspolitik endlich zeigen, dass sie imstande sei, solidarisch und gemeinsam zu handeln. Alle einzelnen Aspekte bei dem Vorschlag zur Flüchtlingspolitik seien wichtig: Die verbesserte Seenotrettung, der Kampf gegen Menschenschmuggler, die Kontrolle der Außengrenzen und die Solidarität bei der Verteilung. Darüber hinaus aber müssten die sogenannten Dublin-Regeln neu geschrieben und endlich Wege zur legalen Einwanderung geöffnet werden. Ein Forderung, die auch von den Liberalen im EP unterstützt wird. Deren Chef, Guy Verhofstadt, kritisierte darüber hinaus auch das Durcheinander von anti-europäischen und fremdenfeindlichen Parolen, die sich am Thema Flüchtlingspolitik entzündeten. Hemmungslos würde alles durcheinander geworfen: Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsmigranten, legale und illegale Zuwanderung.
Der Militäreinsatz gegen Schlepper ist gefährlich
Kritik am geplanten bewaffneten Kampf der EU gegen Schlepperbanden kam vor allem aus den Reihen der Linken, Grünen und von vereinzelten Sozialdemokraten. "Wenn man Flüchtlingsboote beschießen oder versenken will, dann nimmt man Kollateralschäden in Kauf", erklärte etwa die Fraktionsvorsitzende der Linken Gabi Zimmer. Sie fordert, das Leid der Flüchtlinge in den Mittelpunkt der Politik zu stellen und weniger die Abwehrinteressen der Europäischen Union. Auch die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel meinte, dass ein solcher Militäreinsatz "brandgefährlich" sein könne, zumal man nicht wisse, welche Reaktionen in der Region dadurch ausgelöst würden.
Allerdings: Die genauen Einzelheiten des geplanten Einsatzes vor der libyschen Küste müssen erst noch ausgearbeitet werden. Klar dürfte sein, dass in der EU das Problem der möglichen Gefährdung von Flüchtlingen durch einen solchen Einsatz deutlich gesehen wird. Die erste Aussprache im Kreis der europäischen Regierungschefs zum Thema Flüchtlingspolitik wird Ende Juni beim Gipfeltreffen in Brüssel stattfinden. Hoffnungen auf eine schnelle Einigung gibt es dabei nicht.