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EU äußert Vertrauen zu demokratischem Prozess in der Türkei

3. Mai 2007

Einmal mehr schaut Europa auf die Türkei. Doch diesmal geht es mehr um innenpolitische Querelen dort, als um die Chancen eines EU-Beitritts der Türkei. Doch alles hängt miteinander zusammen.

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Nach dem Urteil des türkischen Verfassungsgerichtes, das den ersten Wahlgang zum türkischen Präsidenten für ungültig erklärt hatte, herrscht in der Europäischen Union erst einmal Erleichterung, dass die akute Staatskrise abgewendet scheint. Im Namen der Europäischen Kommission erklärte deren Sprecher Johannes Laitenberger: "Diese Entscheidung des Verfassungsgerichts sollte jetzt von allen Beteiligten anerkannt werden. Der Respekt vor den staatlichen Institutionen ist entscheidend für die politische Stabilität."

Warnung an das Militär

Diese Erklärung war wohl auch auf den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan gemünzt, der dem Gericht vorgeworfen hatte, es habe eine Breitseite auf die Demokratie abgefeuert. Sowohl die deutsche EU-Ratspräsidentschaft als auch die EU-Kommission waren besorgt darüber, dass der türkische Generalstabschef Yasar Büyükanit praktisch unverhohlen mit einem Putsch gedroht hatte, sollte der Kandidat der islamisch-konservativen AK-Partei, Außenminister Abdullah Gül, zum Präsidenten gewählt werden.

Die EU machte deutlich, dass das Militär sich den politischen Institutionen unterordnen müsse. Eines der Beitrittskriterien zur Europäischen Union ist nämlich die politische und parlamentarische Kontrolle über der Armee. Johannes Laitenberger sagte: "Die EU ist auf den Prinzipien Freiheit, Demokratie, Respekt für die Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und die zivile Kontrolle des Militärs aufgebaut. Wenn ein Land der EU beitreten will, müssen diese Prinzipien anerkannt werden. Das ist der Kern der Beitrittskriterien.'

Regierungskrisen hat es in Kandidatenländern, mit denen die EU über Beitritte verhandelt, immer wieder gegeben. Im Falle der Türkei sprach die EU-Kommission aber eine deutliche Mahnung an die Militärführung aus, sich vor allem aus den anstehenden Neuwahlen heraus zu halten. "Die Kommission erwartet, dass die Parlaments- und Präsidentenwahlen demokratisch ohne unbotmäßige Einmischung abgehalten werden, in einer Atmosphäre fairer Debatten und Stabilität. Unter solchen Umständen begrüßt die Kommission die vorgezogenen Wahlen, damit politische Stabilität und demokratische Entwicklung in der Türkei sichergestellt werden können', sagte EU-Kommissionssprecher Laitenberger.

Demokratische Lösungen gefordert

Der säkulare Staatsaufbau, also die Trennung von Staat und Kirche, ist ebenfalls eines der Beitrittskriterien. Auch daran erinnerte der Sprecher der EU-Kommission bereits am Montag. In Brüssel setzt man darauf, dass die Demokratie in der Türkei stabil genug ist, mit der entstandenen Krise fertig zu werden. In seinem letzten Fortschrittsbericht im Herbst letzten Jahres hatte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bemängelt, dass der Einfluss der Militärs auf die Politik in der Türkei noch zu groß sei. Olli Rehn sagte damals im Europäischen Parlament: "Die EU braucht eine stabile und demokratische Türkei, deren Wohlstand wächst, die in Frieden mit ihren Nachbarn lebt und mehr und mehr europäische Werte, Standards und Politik übernimmt."

Schleppende Beitrittsgespräche

Die ohnehin nur schleppend laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind von der politischen Krise nicht berührt. Zurzeit wird über das Kapitel Industriepolitik gesprochen. Bereits am Montag erklärte Johannes Laitenberger von der EU-Kommission: "Wir arbeiten weiter daran, um weitere zwei oder drei Kapitel noch im ersten Halbjahr zu öffnen. Die Vorbereitungen laufen, aber es bedarf eines Beschlusses des Rates der Außenminister.'

Acht entscheidende Kapitel der Beitrittsgespräche sind seit Dezember vergangenen Jahres eingefroren, weil die Türkei das Mitgliedsland Zypern nicht anerkennen will. Dass sich daran so schnell etwas ändert, glauben EU-Diplomaten nicht. Denn jetzt beginnt in der Türkei der Wahlkampf und kein Spitzenpolitiker kann es sich wohl in der aufgeheizten Stimmung leisten, in dieser heiklen Frage Zugeständnisse zu machen. Die nationalistisch gesinnte türkische Militärführung lehnt einen Abzug der türkischen Truppen vom Nordteil der Insel Zypern ab.

Bernd Riegert, Brüssel
DW-RADIO, 2.5.2007, Fokus Ost-Südost