Essebsi bei Wahl in Tunesien vorn
23. November 2014Bei der ersten freien Präsidentenwahl in Tunesien hat der säkulare Politikveteran Béji Caïd Essebsi nach Angaben seiner Partei Nidaa Tounes die meisten Stimmen bekommen. Sein Wahlkampfleiter sprach am Abend in Tunis von einem deutlichen Vorsprung. Erste Schätzungen sehen Übergangsstaatschef Moncef Marzouki an zweiter Stelle.
Der offizielle Fernsehsender Tunisia 1 blendete während seiner Wahlsendung Prognosen ein, wonach der 87 Jahre alte Essebsi auf fast 48 Prozent kommt und Marzouki auf knapp 27 Prozent. Andere Umfragen sehen einen geringeren Abstand zwischen beiden Kandidaten. Verpassen beide Kandidaten die absolute Mehrheit, wird es am 28. Dezember eine Stichwahl geben.
Nur mäßige Wahlbeteiligung
Die erste demokratische Direktwahl eines Präsidenten in Tunesien hat die Massen indes nicht mobilisieren können. Bis zum Nachmittag hatten lediglich rund 53 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgegeben.
Die Bürger konnten zwischen fast 30 Kandidaten auswählen. Landesweit sicherten 100. 000 Polizisten und Soldaten die Abstimmung in dem nordafrikanischen Land gegen Terroranschläge ab. In einigen Gebieten nahe der Grenze zu Algerien gab es nach Angaben der Wahlkommission wegen der schwierigen Sicherheitslage Verzögerungen. Die Grenze zum Krisenland Libyen wurde bereits vorab gesperrt.
Tunesische Wahlbeobachter berichteten vereinzelt von Stimmenkäufen und anderen Versuchen, Wähler zu beeinflussen. Aus europäischen Wahlbeobachterkreisen hieß es, dass die Abläufe ein wenig besser als bei der Parlamentswahl vor einem Monat gewesen seien.
Gegner von Amtsinhaber Marzouki hatten nach Angaben aus seinen Reihen versucht, den Staatschef bei der Stimmabgabe anzugreifen. Das Wahllokal in El Kantaoui rund 140 Kilometer südlich von Tunis sei von Anhängern der säkularen Partei Nidaa Tounès angegriffen worden, erklärte das Wahlkampfteam des Präsidenten. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete, es habe vor dem Wahllokal eine Demonstration gegen Marzouki gegeben. Es sei aber zu keinen gewaltsamen Zwischenfällen gekommen.
Musterbeispiel für Übergang zur Demokratie
Mehr als drei Jahre nach dem arabischen Frühling, der in Tunesien seinen Anfang nahm, gilt das nordafrikanische Land als Musterbeispiel für den Übergang zu einer Demokratie. Die Revolution machte dem Ein-Parteien-System des damaligen Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali ein Ende. Seitdem hat das Land eine neue Verfassung beschlossen und eine Politik der Kompromisse etabliert, während andere Länder der Region wie Libyen im Chaos versinken.
gmf/sti (afp, dpa, rtr)