Eskalation in der Elfenbeinküste
3. Dezember 2010Das Verfassungsgericht der Elfenbeinküste erklärte am Freitag (03.12.2010), Amtsinhaber Laurent Gbagbo habe die Präsidentenstichwahl mit gut 51 Prozent der Stimmen knapp gewonnen. Oppositionskandidat Alassane Ouattara habe dem amtlichen Endergebnis zufolge knapp 49 Prozent erhalten, teilte der Vorsitzende des Gerichts, Paul Yao N'Dré mit. Die Wahlkommission dagegen hatte am Donnerstag Ouattara mit einem Stimmenanteil von 54 Prozent zum Sieger ernannt, Gbagbo erhielt demnach bei der Abstimmung am Sonntag nur 46 Prozent. Dieses Ergebnis erklärte das Verfassungsgericht allerdings für ungültig, da es nach Ablauf der vorgeschriebenen Frist verkündet worden sei. Ouattaras Unterstützer warfen dem Präsidentenlager vor, die Wahlkommission an der rechtzeitigen Veröffentlichung des Ergebnisses gehindert zu haben.
Grenzen geschlossen, Sender abgeschaltet
Tatsächlich war die Kommission in den vergangenen Tagen systematisch daran gehindert worden, das Ergebnis zu verkünden. Zuletzt waren Anhänger Gbagbos bei einer Pressekonferenz in Abidjan handgreiflich geworden, hatten sich vor die Kameras gestellt und Vertretern der Wahlkommission Zettel mit dem Ergebnis aus der Hand gerissen. Doch am Donnerstag konnte der Leiter der Wahlkommission, Youssouf Bakayoko, unangekündigt sein Büro verlassen und in in einem Hotel hastig das Ergebnis verlesen, bevor er abgeführt wurde.
Die Opposition warnte nun vor einem neuen Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste. Ein Mitarbeiter Ouattaras sagte, die Opposition werde eine Revision des Ergebnisses nicht anerkennen. Auch die USA forderten alle Seiten auf, das von der Kommission verkündete Ergebnis anzuerkennen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy appellierte an das Verfassungsgericht, den klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Volkes zu respektieren. Internationale Beobachter hatten die Wahl als im Allgemeinen frei und gerecht beschrieben.
Aus Sorge vor einer blutigen Eskalation des Machtkampfes zwischen den beiden Lagern hatte die Armee in der Nacht zum Freitag bereits alle Grenzen des westafrikanischen Staates geschlossen. In Abidjan - Regierungssitz und Wirtschaftsmetropole zugleich - verhängte sie eine Ausgangssperre. Ausländische Nachrichtensender wie Radio France International, France 24 und CNN wurden abgeschaltet - aus Sicherheitsgründen, wie es in einer offiziellen Stellungnahme hieß.
Der ivorische Regierungschef Guillaume Soro appellierte an den Vertreter der Vereinten Nationen im Land, "schnellstmöglich" zu den Wahlergebnissen Stellung zu nehmen. Erst dann könnten alle nötigen juristischen und politischen Konsequenzen aus dem Wahlprozess gezogen werden. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ließ daraufhin mitteilen, er gratuliere Ouattara zu seiner Wahl zum Präsidenten der Elfenbeinküste. Am Donnerstag fand zudem eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zur Elfenbeinküste statt. Das Gremium drohte mit Sanktionen, sollte der Wahlprozess behindert werden.
Hoffnung auf Frieden und Wohlstand zerstört
Mindestens acht Menschen kamen bei politisch motivierter Gewalt in den vergangenen Tagen schon ums Leben, allesamt Anhänger Ouattaras. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von mehr als zehn Menschen, die nach einem Überfall auf ein Büro Ouattaras von Sicherheitskräften verschleppt worden sein. Ihr Aufenthaltsort ist unbekannt. Sie dürften nicht die letzten Opfer dieses Konflikts bleiben. Dabei sollte doch die Präsidentenwahl der Elfenbeinküste nach dem 2003 beendeten Bürgerkrieg wieder zur Normalität verhelfen und das zerrissene Land einen. Für den weltweit größten Kakaoproduzenten, lange eine der stärksten Volkswirtschaften Westafrikas, sollte nach Jahren des Chaos' wieder eine Zukunft in Frieden und Wohlstand anbrechen.
Die Präsidentenwahl war nämlich die erste seit dem Urnengang im Jahr 2000, bei dem Gbagbo an die Macht kam. Ouattara war damals ausgeschlossen worden. Er gilt als Drahtzieher des fehlgeschlagenen Putsches von 2002, der die Elfenbeinküste in den Bürgerkrieg gestürzt und zur Teilung des Landes zwischen dem überwiegend muslimischen Norden und dem christlichen Süden geführt hatte.
Auch ein Wechsel an der Staatsspitze galt als überfällig, war die reguläre Amtszeit von Präsident Gbagbo doch schon 2005 abgelaufen. Mit einer lange Jahre durchgehaltenen Verschleppungstaktik - insgesamt sechs Mal wurde der Wahltermin verschoben - konnte sich Gbagbo de facto aber eine weitere Amtsperiode erschleichen. Nun scheint er den Präsidentenpalast überhaupt nicht mehr verlassen zu wollen.
Autor: Stephan Stickelmann (dpa, afp dapd, rtr)
Redaktion: Martin Schrader