Chinas Militär darf Auslandsaktionen durchführen
3. Juli 2015Deutsche Welle: Herr Berger, das neue Sicherheitsgesetz Chinas trat am 01. Juli in Kraft. Demnach darf Chinas Militär Aktionen im Ausland durchführen, die der Staatssicherheit dienen. Sehen Sie darin eine offensivere Sicherheitspolitik Chinas?
Bernt Berger: Ich glaube nicht, dass dieser Bestandteil des neuen Gesetzes auf eine neue Ausrichtung hindeutet. China hat große Interessen auch außerhalb der Landesgrenze, etwa durch Investitionen in Energie oder Beteiligung an Firmen. Auch die Transportwege müssen gesichert werden. Von daher glaube ich, dass der Teil der neuen Gesetzgebung nicht unbedingt eine neue Strategie ist, sondern auf die neuen Herausforderungen eingeht. Das heißt, China will in Zukunft militärische Interventionen legitimieren, zum Beispiel gegen Seepiraterie oder für die Gewährleistung der Sicherheit von chinesischen Bürgern im Ausland. Für andere Konfliktsituationen wird die Diplomatie die erste Wahl sein.
In vielen territorialen Konflikten wie beim Streit um die Diaoyu- oder Senkaku-Inseln oder um Inseln im Südchinesischen Meer sind die Töne aus Peking immer bestimmter. Wie schätzen Sie diese Situation ein?
Wenn wir uns die Sicherheitssituationen in Asien anschauen, werden wir feststellen, dass es noch keinen sicherheitspolitischen status quo gibt. Das heißt, es gibt keinen einzelnen Akteur, der wirklich die überzeugende Macht hat, eine Regionalmacht zu sein. Viele Akteure setzen deswegen auf militärische Aufrüstung und militärische Präsenz.
Im Südchinesischen Meer hat China Fakten mit der Konstruktion von Inseln geschaffen, um bei der Aunhandlung eines status quos eine starke Ausgangsposition zu haben. Im Südchinesischen Meer wird China mehr und mehr dominant sein.
Das kann in der Folge in zwei Richtungen führen. Es kann zu einer Bipolarität in Asien kommen, wobei kleinere Staaten das Nachsehen zwischen den Großmächten China und den USA haben werden. Oder es kann zu einer neuen Ordnung kommen, die auf Diplomatie basiert. Dafür müssten die regionalen Institutionen gestärkt werden. Das neue Sicherheitsgesetz unterstützt den Aufbau einer Machtposition gegenüber den USA.
Die USA sehen neuerdings China und Russland als Sicherheitsbedrohungen an. Washington wirft Peking vor, Spannungen in der Asien-Pazifik-Region zu verursachen. Dabei geht es um die Streitigkeiten zwischen China und seinen Nachbarländern. Glauben Sie, dass es zu weiteren Konfrontationen zwischen China und den USA kommen wird?
Man sollte hoffen, dass China und die USA einen strategischen Dialog führen, bei dem eben diese Themen diskutiert werden können. In der Praxis wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird.
Die Gleichsetzung von China und Russland hinkt natürlich. Aber gewisse Ähnlichkeiten sind da. Die außenpolitischen und sicherheitspolitischen Maßnahmen Chinas, wie Behauptung der Souveränität und die Durchsetzung der Machtansprüche in Asien, sind mit den russischen Ansätzen vergleichbar.
Ist die Volksbefreiungsarmee in der Lage, chinesische Interessen in Übersee zu verteidigen?
Das chinesische Militär baut zurzeit vor allem die Marine aus, um die Seewege zu sichern und eventuell chinesische Bürger zu evakuieren. Das Militär ist aber nicht darauf ausgerichtet, die Interessen des Landes militärisch durchzusetzen. Das ist ein Prozess, das vielleicht in Zukunft kommen könnte.
Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt beschränkt sich der Fokus des Militärs auf das maritime Asien und auf die Nachbarschaft. Im Moment sehe ich nicht, dass die Volksbefreiungsarmee für Manöver außerhalb Asiens ausgerüstet wird.
Bernt Berger leitet das Asien-Programm am Institut für Sicherheit und Entwicklungsforschung (ISDP) in Schweden.