1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Star Trek als Fanfilm

Heiner Kiesel13. Mai 2016

Star Trek wird 50. Die letzte Folge der TV-Serie ist 2005 abgedreht worden. Es gibt Fans, die können sich damit nicht abfinden und greifen selbst zur Kamera. Und drehen ihren eigenen Raumschiff Enterprise-Film.

https://p.dw.com/p/1In4S
Raumschiff Enterprise 1979 © Imago/AD
Bild: Imago/AD

Flirren in der Luft, ein perlender Akkord und wir materialisieren uns gewissermaßen im ersten Stock eines Reihenhauses, mitten in einer gutbürgerlichen Wohngegend im fränkischen Schweinfurt. Alles akkurat wie im Einrichtungskatalog, kein Schnickschnack. Hier wohnt der Mann, der die inzwischen 50 Jahre alte Star-Trek-Filmwelt in Sphären geführt hat, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat: Jürgen Kaiser ist um die 1,80 Meter groß, schlank und trägt einen schwarzen Kapuzenpulli. Er ist 35 Jahre alt und hat die letzten siebeneinhalb Jahre damit verbracht, einen Enterprise-Fanfilm zu drehen. "Das hat mich ungefähr soviel gekostet wie ein Mittelklassewagen", sagt er ohne viel Emotion in der Stimme. Gagen musste er keine bezahlen, denn in seinem Werk gibt es keine Schauspieler.

Jürgen Kaiser, Fanfilmer aus Schweinfurt. Foto: DW/H.Kiesel
Jürgen Kaiser, Fanfilmer aus SchweinfurtBild: DW/H.Kiesel

Kaiser ist fast am Ziel. Der Hobby-Filmer führt in sein Arbeitszimmer - ein schmaler Raum mit zwei Arbeitsplatten. Auf der linken steht einer der Stars seines Films: die Vulkanierin T'Pol, spitzohrig, ernste Miene und etwa so hoch wie Kaisers Hand lang. Die Figur aus der letzten TV-Serie aus dem Star-Trek-Universum ist eine bewegliche Action-Puppe aus Plastik. Sie steht im Lichtkegel einer Lampe, inmitten einer maßstabsgerechten und verblüffend akkuraten Raumschiffbrücke. Kaiser dreht ihren Kopf minimal nach rechts, dann drückt er den Auslöser einer Spiegelreflexkamera auf dem Stativ neben dem Tisch. Er dreht ein bisschen mehr, Klick. "Das geht dann immer so weiter - für eine Sekunde Film brauche ich etwa eine Stunde", sagt er und drückt wieder ab. Im Computer werden die Einzelbilder dann zu Bewegungsabläufen zusammengesetzt. T'Pol dreht sich zum Captain.

Die richtige Tricktechnik für Trekkies

Der Film "Der Anfang vom Ende" wird 3600 Sekunden lang sein. Die Stop-Motion-Technik ist wahrscheinlich die Eiger-Nordwand unter den Animationstechniken. Es ist zäh, die Einstellungen fertigzustellen, die Gefahr von Anschlussfehlern potenziert sich mit der Aufnahmedauer. Aber Kaiser behält die Übersicht, er ist ein penibler Typ. Einer der so wirkt, als ob ihn nichts nerven könne. Sein Geld verdient er als Messtechniker bei einem großen Automobilzulieferer. Das Faible für Details hat er von seinem Vater. "Von dem habe ich die Liebe zum Modellbau", erzählt Kaiser. Dabei streicht er mit den Fingerkuppen liebevoll über eine selbstgebaute Minikulisse. Und schließlich ist der Fanfilmer aus Franken nicht allein bei seinem Projekt.

Drei Star Trek-Stars - Mr. Spok, Dr. McCoy und Captain Kirk. Foto: picture alliance
Star Trek-Stars in ihrem ElementBild: picture alliance/Photoshot

Der ambitionierte Hobbyfilmer hat bereits einen kurzen Star-Trek Animationsfilm produziert und auch international viel Beifall bekommen. Aber jetzt sollte es richtig zur Sache gehen. "Ein Film fürs Kino!", sagt er. Kaiser hat in seiner geduldigen und direkten Art freiwillige Helfer in ganz Deutschland gefunden. Profi-Synchronsprecher, 3D-Künstler, Programmierer und die richtige Software, damit die Bewegungen flutschen. "Ich bin immer noch ganz erstaunt, dass da über 37 Leute an dem Projekt mitarbeiten." Denn keiner der Beteiligten darf Gewinn erwarten - wegen der Markenrechte. "Wir sind weltweit die Ersten, die auf so einem Medium einen Fanfilm gemacht haben." Dieses "Wir" auf das Kaiser so stolz ist, passt gut zu Star Trek und seinen Fans, den Trekkies.

Eine Zukunft nahe am Sozialismus

Vor 50 Jahren kam Star Trek erstmals auf den Bildschirm. Und Gene Roddenberry, der Erfinder der TV-Serie, mutete seinen US-Mitbürgern einiges zu: Die Weltraum-Pioniere lebten in einer geldlosen Gesellschaft, jeder setzte sich nach seinen Fähigkeiten für die Gemeinschaft ein und die Crew des Raumschiffes Enterprise war so multikulti, dass sogar Außerirdische und Schwarze dazugehörten. Der Kuss zwischen Captain Kirk und der Kommunikationsoffizierin Uhura gilt als der erste Fernsehkuss zwischen einer farbigen und einer weißen Person in den USA. "Mir gefällt die Utopie, die in Star Trek steckt", bekennt Jürgen Kaiser.

Er fischt aus einer Schublade einen Hefter mit Din A4-Blättern heraus, 53 Seiten - das Drehbuch. Er trägt es rüber ins Wohnzimmer und legt es auf das Tischchen vor dem schwarzen Sofa. Als 2005 die Enterprise aufhörte, im TV fortgeführt zu werden, konnte sich Kaiser damit nicht einfach abfinden. "Das musste doch einfach weitergehen", sagt er. Dass es geklappt hat, liegt auch daran, dass es noch mehr Trekkies so ging. Und weil sich ein guter Trekkie auch gerne für das Ganze einbringt. Der Elan hat Grenzen. "Ich weiß nicht, ob ich mir nochmal sowas antun würde!", grübelt der Schweinfurter.

Von schützender Hand umgeben: Die Star-Trek-Action-Figur T'Pol Foto: DW/H.Kiese
Von schützender Hand umgeben: Die Star-Trek-Action-Figur T'PoBild: DW/H.Kiesel

"Der Anfang vom Ende"

Bei der Star-Trek-Convention Fedcon in Bonn hat Kaisers Fanfilm Weltpremiere. Es ist eine Stunde mit dem - für Filmkritiker unmöglichen - Titel "Der Anfang vom Ende". Kaiser legt das Drehbuch zur Seite und greift nach einer Fernsteuerung für einen ausladenden Flachbildfernseher. "Es fängt mit einer Schlacht an", erklärt er. Dann folgen rasante Kamerafahrten, Weltraumtotale, Trümmeransichten - eine opulente Inszenierung. Die Enterprise kehrt nach einer Mission in einem anderen Zeitstrahl zurück. Die Besatzung findet Chaos vor. Die Fremden, die für die Katastrophe verantwortlich sind, werden von Terminator-Action-Figuren verkörpert. "Ja und dann muss die Enterprise so schnell wie möglich zur Erde zurück", ergänzt Kaiser, "dort gibt es wieder eine Riesenschlacht."

Mehr soll nicht verraten werden. Er drückt den Stopp-Knopf. Seit sieben Jahren fiebert Kaiser dem Augenblick entgegen, wenn sein Film auf der Fedcon in Bonn auf der großen Leinwand erscheint. "Das ist mein Jugendtraum." Er wird den Moment mit 2.000 Trekkies erleben, wie sich die Fans von Star Trek nennen. Sie werden es lieben! Und danach? Kaiser zögert kurz, dann grinst er. "Vielleicht Ghostbusters als Stop-Motion-Movie?", sagt er. Denn, so gut er Star Trek auch findet, seine eigentliche Leidenschaft gilt dem Film an sich. Star Trek kam da gerade recht.