Her mit der Quote
8. März 2010Wenn die deutsche Bundeskanzlerin bei ihren zahlreichen Fernseh- und Fotoauftritten aus der Reihe dunkler Jacketts mit farbigem Blazer hervorsticht, dann erinnert sie immer daran, dass auch Frauen in Führungspositionen kommen können. Eine von vielen? Weit gefehlt: Ob in der Bundesregierung oder in den Länderparlamenten - trotz aller Bekenntnisse zur Gleichberechtigung sind es nur wenige, die es in den Kreis der männlichen Entscheidungsträger geschafft haben.
Und wie sieht es in der Wirtschaft aus? Noch schlimmer: Bis an die Spitze eines börsennotierten Unternehmens in Deutschland ist bislang nur eine Frau gekommen, in den Etagen darunter lässt sich hier und da eine Frau finden. So können die meist mit den Attributen "hart" und "erfolgreich" betitelten Topmanager unter sich bleiben.
Was aber ist der Preis?
Der männliche Weg an die Spitze fordert große Opfer an sozialer Kompetenz und emotionaler Kondition, schreibt die erfahrene Managerberaterin Gertrud Höhler. Das schreckt Frauen nicht nur ab, das verengt auch den Blick der Männerrunden. Schon immer hat man befürchtet, dass Politiker und Topmanager in den Zentren der Macht gelegentlich die Bodenhaftung verlieren. Die Auslöser der Finanzkrise jedenfalls scheinen das zu bestätigen. Von Verantwortung tragenden Männern im Westen gemacht und geduldet, hat es Frauen und Männer weltweit getroffen. Die Armut nimmt zu statt ab - mit vielen Folgen. Die Chance, die Millenniumsziele noch zu erreichen, mit denen die Armut bekämpft werden soll, scheint in immer weitere Ferne zu rücken.
Auch in den westlichen Industrieländern hat die Finanzkrise so manchen Job gekostet und die Bankenrettungspakete haben die öffentlichen Haushalte stark belastet. Und das hat hier wie überall Folgen: für die Bildung, die Gesundheit, die Alterversorgung und öffentliche Einrichtungen. Für all das also, was nachhaltig ist, Versorgung sichert und ein Leben in Würde ermöglicht, bleibt weniger übrig. Auch das trifft Frauen und Männer. Und eine Krise gibt es auch beim Klima: Bei der Suche nach einer konsensfähigen Strategie gegen den Klimawandel ist bis heute keine Lösung in Sicht. Die Liste ließe sich mühelos fortsetzen.
Mindestens 30 Prozent Frauen pro Gremium
Ganz gleich also, ob in Politik oder Wirtschaft - es braucht die Perspektive der Frauen, um die ganze Realität in den Blick zu nehmen. Mindestens 30 Prozent weibliche Mitglieder pro Gremium, damit ihre Stimme und ihre Arbeitsweise auch relevant wird. Erst dann hätten sie eine echte Chance und könnten vielleicht etwas ändern an den männlichen Handlungsmustern und Spielregeln, die heute große Unternehmen nicht nur in Deutschland prägen: emotionale Kälte und Machtkämpfe.
Deshalb sollten Männer endlich ein Stück Platz machen in den oberen Etagen der Macht, ein paar Stühle mehr frei machen für die vielen, kompetenten und gut ausgebildeten Frauen. Schließlich haben auch sie viel zu gewinnen. Mehr Kooperation und faire Konkurrenz zum Beispiel oder eine Organisation von Gremien und Unternehmen, die auch noch Zeit und Raum für ein angemessenes Privatleben lässt. Und ganz oben steht der um die Frauenperspektive geweitete Blick für Inhalte und Ziele: mehr Chancen für Innovation und bessere Entscheidungen!
Entschlossenes Norwegen, mutiges Holland
Dazu braucht es Mut und Entschlossenheit - auch in der Politik. Das Parlament in Norwegen beispielsweise hat den aufgebracht und längst eine Frauenquote für börsennotierte Aufsichtsgremien festgelegt. Noch mutiger war die holländische Regierung: Sie beschloss vor wenigen Wochen eine solche Quote für die Vorstände. Gut so - wenn sich freiwillig in den Unternehmen und Banken zu wenig bewegt.
Denn schließlich steht nicht nur - wie von der westlichen Frauenbewegung in den 70er Jahren gefordert - "die Hälfte es Himmels" auf dem Spiel. Es geht um den ganzen Himmel: für Männer und Frauen.
Autorin: Ulrike Mast-Kirschning
Redaktion: Stefanie Zießnitz/Dirk Eckert