Drei-Religionen-Schule
7. September 2012Stolz präsentieren die Mädchen und Jungen ihre Schultüten. Wie ganz normale Schulanfänger sehen sie aus. Unter den 22 Schülern und Schülerinnen der Drei-Religionen-Schule in Osnabrück sind Christen, Muslime und Juden. Auch das ist nicht ungewöhnlich an deutschen Schulen. Nur mit dem Unterschied, dass die Grundschüler der Johannisschule jeweils in ihrer eigenen Religion Bekenntnis-orientiert unterrichtet werden - in Deutsch, Mathematik, Musik und Sachkunde aber gemeinsam. Darüber hinaus sollen die Kinder in Projekten die Unterschiede ihrer Religionen kennenlernen. So werden vor allem die Alltagsriten der verschiedenen Glaubensrichtungen vermittelt. Auch beim Feiertagskalender wird Rücksicht genommen. Während des islamischen Fastenmonats Ramadan wird es keine Klassenfeste geben. Zum Feiertag Jom Kippur bleiben die jüdischen Kinder zu Haus.
"Wir wollen, dass die Schüler und Schülerinnen so ihre religiöse Dialogkompetenz erweitern. Auch sollen sie ihren eigenen Glauben bewusster leben und die Religion der jeweils Anderen respektieren und tolerieren", sagt Winfried Verburg, Leiter der Schulabteilung im Bistum Osnabrück.
Widerstand aus der Politik
Die Idee für das trialogische Schulkonzept ist aus der Not geboren worden. In den vergangen Jahren hatten sich immer weniger katholische Schüler an der Johannisschule, deren Träger das Bistum ist, angemeldet. Nach Landesrecht dürfen aber nur 30 Prozent der jungen Menschen nicht katholischen Glaubens sein. Aufgrund der guten Kontakte zu den jüdischen und muslimischen Gemeinden wurde die Idee für die Drei-Religionen-Schule gemeinsam umgesetzt. Die strategisch wichtigen Entscheidungen zur Schule trifft ein aus Vertretern der drei Religionen besetzter Beirat. Allerdings war das Projekt im Vorfeld umstritten. Die SPD und Teile der Grünen-Ratsfraktion lehnten die Schule mit der Begründung ab, Integration werde an staatlichen Schulen täglich geleistet, insbesondere an Schulen mit hohem Migrantenanteil.
Klassenzimmer mit Kreuz, Halbmond und Menora
Bisher hingen an den Klassenzimmerwänden der Johannisschule nur Kreuze. Das wird sich in den kommenden Wochen ändern. Als Zeichen der Interreligiosität gesellen sich noch muslimische und jüdische Symbole, wie der Halbmond und der siebenarmige Leuchter, die Menora, dazu. Diese verschiedenen Gegenstände zu erklären, dass hat sich Annett Abdel-Rahman, die Lehrerin für islamische Religion, für die ersten Stunden vorgenommen. Die 42-Jährige trägt ganz bewusst ihr Kopftuch im Unterricht, der jüdische Kollege seine Kippa. "Für mich ist es sehr wichtig, die Parallelen der abrahamitischen Religionen im Unterricht heraus zu arbeiten." Als besondere Herausforderung sieht sie, dass die acht muslimischen Kinder unterschiedlichster Herkunft sind. Die türkischen, indonesischen, arabischen und deutschen Muslime haben zudem ganz unterschiedliche Kenntnisse ihrer eigenen Religion.
Koscheres Essen und keine Kerzen
Lediglich zwei jüdische Schüler beginnen ihren Schulalltag in der Drei-Religionen-Schule. "Das ist für mich purer Luxus, eine intensive Betreuung, wie sie in anderen Klassen nicht möglich ist", sagt Sebastian Hobrack. Der 40-Jährige gibt den jüdischen Religionsunterricht. Die Erwartungen an das bisher in der Bundesrepublik einzigartige Modell schraubt er zunächst nicht so hoch. Denn bei so einfachen Dingen wie dem Mittagessen, dass sowohl den christlichen, islamischen und auch den jüdischen Essenvorschriften entsprechen soll, fangen die Schwierigkeiten schon an. So muss zum Beispiel das Essen auf Glastellern serviert werden, damit es koscher ist. Auch wurden bei der Eröffnungsfeier aufgrund eines Einwandes der Muslime keine Kerzen entzündet.
All das scheint die Eltern der Erstklässler weniger zu interessieren. Die Mutter von Rahel ist froh, dass ihre Tochter die Drei-Religionen-Schule besucht. "Hier kann Rahel ganz offen und selbstverständlich ihre jüdische Identität leben." Ein muslimischer Vater möchte, dass seine Tochter vor allem vermittelt bekommt, dass alle Menschen gleichwertig sind, egal welcher Religion sie angehören. Der katholische Vater hofft, dass auch er von dem hier erworbenen Wissen seines Sohnes profitieren kann und mehr über andere Glaubensrichtungen erfährt.