Ernüchterung und Enttäuschung auf Kuba
27. Dezember 2017"Donald Trump ist ein Idiot", sagt Alejandro García, auf den US-Präsidenten und dessen Politik angesprochen. Der Gesichtsausdruck des Mittdreißigers, der jahrelang als Restaurator in Havannas Altstadt gearbeitet hat und heute seine Brötchen in einem privat betriebenen Hostel verdient, wird richtig ärgerlich. "Ich dachte, als Geschäftsmann würde er die Möglichkeiten erkennen, die Kuba US-Unternehmen bietet. Immerhin wollte er doch selbst schon mal ein Hotel auf Kuba eröffnen."
Doch statt die unter Barack Obama begonnene Annäherungspolitik fortzusetzen sind die USA unter Trump im abgelaufenen Jahr zur Kalten-Krieg-Rhetorik zurückgekehrt. Anfang November veröffentlichte die US-Regierung neue Reise- und Geschäftsbeschränkungen für seine Bürger und Unternehmen mit Kuba. Demnach sind Individualreisen für die meisten US-Amerikaner nicht mehr möglich; auch werden Geschäfte mit kubanischen Staatsunternehmen erschwert. Bis Anfang November hatten rund 580.000 US-Amerikaner Kuba besucht, das entspricht einem Zuwachs von 250 Prozent gegenüber demselben Vorjahreszeitraum.
"Wahrscheinlich bleiben die US-Amerikaner nun wieder weg", vermutet Claudia García, die mit Alejandro nicht verwandt ist. Sie vermietet einen Teil ihrer Wohnung im Zentrum Havannas an Touristen. "Die US-Amerikaner waren zwar nie wirklich ein Faktor für den Tourismus auf Kuba, aber wir alle haben gehofft, dass nun vermehrt Touristen aus den USA hierher kommen."
Der Wind ist rauer geworden
Mit den Restriktionen macht Trump einige Maßnahmen der Obama-Administration rückgängig, ohne jedoch deren Politik vollständig zurückzufahren - schürt aber Unsicherheit bei Reisenden und potentiellen Investoren. Die USA und Kuba hatten erst Mitte 2015 nach über einem halben Jahrhundert Eiszeit wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen, nachdem Obama und Kubas Präsident Raúl Castro im Dezember 2014 einen Neustart der Beziehungen beider Länder verkündet hatten.
Nun weht wieder ein deutlich rauerer Wind in den bilateralen Beziehungen. Dazu beigetragen haben auch mutmaßliche "Schallattacken" gegen US-Diplomaten, die der US-Regierung als Vorwand dienen, die diplomatischen Beziehungen auf ein Mindestmaß herunterzufahren und die Visavergabe zu stoppen. Havanna weist jede Verwicklung zurück und bezeichnete die angeblichen Vorfälle als "Science-Fiction".
"Das ist schon ein ziemlicher Schlag. Da denkt man, jetzt geht es endlich voran und die Beziehungen zu den USA normalisieren sich und dann das", sagt Yoao Hojas, bildender Künstler und gerade erst von einer Reise aus Deutschland zurückgekehrt. Die "Schallangriffe" hält er für eine Erfindung der US-Regierung, um einen Vorwand zum Einfrieren der diplomatischen Beziehungen zu haben. "Jetzt müssen wir wohl noch mindestens vier Jahre warten, bevor sich etwas bewegt", sagt er. Auch er findet wenig druckreife Worte, um seine Meinung zum US-Präsidenten kund zu tun.
Auch Hojas hatte gehofft, vom US-Tourismus zu profitieren und seine Wohnung an Touristen zu vermieten. "Bisher verläuft das Jahr aber eher schleppend." Ähnliches berichtet Claudia García. "Die letzten Monate hatte ich kaum Gäste. Das war schon eher enttäuschend. Aber vielleicht hatte das auch mit Irma zu tun." Hurrikan Irma war Anfang September mit Windstärke 5 über die Insel gefegt und hatte große Schäden angerichtet. In den Wochen danach waren viele Urlaubsreisen gecancelt worden.
Die Wirtschaft wird schrumpfen
Zu den Verwüstungen durch den Wirbelsturm und der geänderten politischen Großwetterlage kommen die Reduzierung der Öllieferungen aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Kubas wichtigstem Verbündeten Venezuela, sowie die niedrigen Weltmarktpreise für Zucker und Nickel - Kubas Haupt-Exportrohstoffe.
Die kubanische Wirtschaft könnte das zweite Jahr in Folge schrumpfen. Wirtschaftsexperten wie der an der Uni Pittsburgh lehrende Carmelo Mesa-Lago erwarten, dass das kubanische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 0,3 Prozent zurückgeht. Die Ratingagentur Moody's rechnet mit einem Rückgang von 0,5 Prozent.
"Die ganze Euphorie und Dynamik, die Obama ausgelöst hat, ist verschwunden. Man hat das Gefühl, alles befindet sich wieder im Wartestand", sagt Hojas. Der Druck von Außen und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben im Inneren zu einer "Fasten-your-seat-belts"-Phase geführt. Weitere Schritte von Öffnung und Reform wurden zunächst hinten angestellt.
Auch innenpolitisch geht es nicht mehr vorwärts
So wurde die Dezentralisierung staatlicher Betriebe verlangsamt, der Genehmigungsprozess von Auslandsinvestitionen verläuft nur schleppend; ebenso ist die Öffnung des Privatsektors ins Stocken geraten. Seit August werden keine neuen Geschäftslizenzen für Arbeit auf eigene Rechnung, wie Kubas Kleinunternehmertum genannt wird, mehr vergeben. Auch die lange angekündigte Währungsunion lässt weiter auf sich warten.
"Es hieß, der Lizenzstopp wäre nur vorübergehend, aber wir haben fast Ende des Jahres und es passiert immer noch nichts", sagt Hojas. "Ich kenne Leute, die haben viel Geld in Restaurants oder Bars gesteckt, und können nun keine Lizenz erwerben, um ihren Laden aufzumachen." Die bürokratischen Hürden sorgten dafür, dass das Land nicht vom Fleck komme. Er selbst spiele mit dem Gedanken, seine Karriere im Ausland weiterzuverfolgen.
Auch Alejandro García ist wenig zuversichtlich, dass die Dinge sich in absehbarer Zeit wandeln. "Es ist Ende des Jahres, ich muss schauen, wo ich Geld auftreibe und wenn ich zurückschaue sehe ich, dass sich nichts geändert hat", sagt er. "Ein Jahr mehr und es ist nichts Gutes passiert. Aber man muss leben und hoffen, dass alles besser wird."