Ernüchterung in Athen
13. Juli 2015Aristidis Dimopoulos hat es schon immer gewusst - behauptet er jedenfalls: "Du kannst doch nicht mit ganz Europa auf Kriegsfuß stehen, zumal so viel Geld auf dem Spiel steht", mahnt der rüstige Rentner. Die Lage sei verfahren, einen einfachen Ausweg gäbe es nicht. Dennoch bleibt der 72-Jährige grundoptimistisch: "Ich glaube nicht, dass unsere Partner das geringste Interesse daran haben, uns aus dem Euro heraus zu drängen, dann würden sie nämlich keinen einzelnen Cent zurückbekommen. Aber sie wollen vermutlich auch sicherstellen, dass gemeinsame Regeln immer noch Geltung haben in Europa."
Dimopoulos hat die Wohlstandszeiten in Griechenland in guter Erinnerung. Als Mitarbeiter für Bodendienstleistungen für die staatliche Fluggesellschaft Olympic Airways hatte er einen lukrativen Job und bekam nach seiner Pensionierung eine für griechische Verhältnisse üppige Rente in Höhe von 1550 Euro. Im Zuge vielfältiger Sparrunden musste er allerdings auch auf 25 Prozent seiner Bezüge verzichten.
Nun steht der 72-Jährige täglich Schlange vor einem Geldautomaten in Athen, um seine 60 Euro zu sichern, denn nach der Bankenschließung und der Einführung von Kapitalkontrollen in Griechenland darf niemand mehr als diese Summe pro Tag und Konto abheben. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) entschieden hat, die Nothillfe für griechische Kreditinstitute unverändert aufrecht zu erhalten und nicht zu erhöhen, wird auch die Bankenschließung in Hellas um mindestens 48 Stunden verlängert - bis Mittwochabend.
Dimopoulos ist betrübt, aber auch wieder froh, dass ihm nicht noch Schlimmeres widerfahren ist: "Zum Glück konnte ich meine Ersparnisse rechtzeitig aus der Bank holen. Irgendwie hatte ich eine Vorahnung, dass unsere Einlagen in Gefahr geraten", sagt er lächelnd im Gespräch mit der Deutschen Welle.
"Enttäuscht und betrogen"
Völlig niedergeschlagen ist dagegen der Syriza-Anhänger Thanassis an diesem Montag: "Ich fühle mich am Boden zerstört, enttäuscht von der Politik, enttäuscht und betrogen", sagt der 45-Jährige, der eigentlich mit der regierenden Linkspartei sympathisiert. Doch sein ursprünglicher Optimismus ist mittlerweile in Frust umgeschlagen: "Ich glaube ehrlich gesagt nicht einmal, dass in Brüssel übers Wochenende eine harte Verhandlung stattgefunden hat, denn ich habe ganz genau beobachtet, was Angela Merkel auf ihrer Pressekonferenz sagte: Die Gesetze, die Tsipras ab Montag durch das griechische Parlament bringen soll, seien bereits verfasst und unterschriftsreif. Das bedeutet doch, dass alles schon vorentschieden war", empört sich der Mann aus Athen.
Der Verlagsangestellte glaubt, dass Griechenland auch nach dieser Einigung mit den Gläubigern nicht zur Ruhe kommen wird, im Gegenteil: "Ein erniedrigtes Land wird irgendwann explodieren, es geht gar nicht anders", warnt er. Die EU habe eine Versailles-Politik gegenüber Griechenland verfolgt und das würde sich irgendwann rächen.
Fürs Erste erwartet Thanassis einen völligen Umbruch der politischen Landschaft in Hellas. Regierungschef Alexis Tsipras müsse sich vermutlich neue Koalitionspartner suchen oder gleich eine Allparteienregierung bilden. Altpolitiker, denen man die Verantwortung für die Wirtschaftsmisere des Landes gibt, würden in den nächsten Jahren einfach verschwinden und in Vergessenheit geraten. Tsipras gehöre allerdings nicht dazu, mit ihm sei noch zu rechnen.
Politische Turbulenzen erwartet
Auch in der Athener Politik wird der Ton rauer: In einer ersten Stellungnahme mahnt der Linksflügel der regierenden Syriza-Partei vor einem "neuen Memorandum der Sparpolitik", das den Status des Landes als "Schuldenkolonie in einem Europa unter deutscher Vormundschaft" erhalte und ruft die Menschen zum "Kampf" gegen die Sparmaßnahmen auf.
Mit deftigen Worten rechnet man auch bei der Krisensitzung der Linksfraktion am Dienstag. Unterdessen hat Fraktionssprecher Nikos Filis potentielle Abweichler zum Rücktritt aufgefordert. Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou, die mittlerweile zu den schärfsten Kritikern von Premier Tsipras zählt, erklärte daraufhin, sie sehe dafür keinen Anlass.