Polizeigewalt gegen Demonstranten in Hongkong
9. Juni 2020Mit Pfefferspray ist die Polizei gegen Demonstranten in Hongkong vorgegangen. Tausende Einwohner waren auf die Straße gegangen, um mit Kundgebungen des ersten Jahrestags der Massenproteste für Demokratie und Unabhängigkeit von China zu gedenken. Medien aus Hongkong zeigten ein Meer von Demonstranten in den Straßen. Auf Transparenten hieß es: "Der Himmel wird Chinas Kommunistische Partei zerstören" und "US-Truppen, bitte helft uns, Hongkong zu beschützen". Massive Sicherheitskräfte marschierten auf und nahmen eine noch unbekannte Zahl von Menschen fest.
Lam unterstützt Regierungsvorhaben
Zum Jahrestag der ersten Massendemonstration am 9. Juni 2019 rief die Protestbewegung zum entschiedenen Widerstand gegen die Regierung und den Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung auf, insbesondere gegen das Ende Mai von China angekündigte Gesetz zum "Schutz der nationalen Sicherheit". Während die Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam loyal zur kommunistischen Führung in Peking China steht und das Sicherheitsgesetz bedingungslos unterstützt, beklagt die Demokratiebewegung ein Ende des freien und demokratisch ausgerichteten Hongkongs.
"Widersetzt Euch dem bösartigen Gesetz, kämpft bis zum Ende", lautet der Aufruf an die sieben Millionen Honkonger der Civil Human Rights Front, den Organisatoren der großen Proteste der vergangenen zwölf Monate. Das Gesetz wäre der bisher weitgehendste Eingriff in die Autonomie. Es umgeht das Parlament der Metropole und richtet sich gegen Aktivitäten, die aus Pekinger Sicht subversiv sind oder auf eine Unabhängigkeit abzielen.
Auch internationalstößt das Gesetz, das der Ständige Ausschuss des Volkskongresses noch diesen Monat erlassen könnte, auf heftige Kritik. Die USA planen Sanktionen, indem Hongkong bislang gewährte Vorteile entzogen werden sollen.
"Hongkong kann es sich nicht leisten, weiter chaotisch zu sein."
Vor der Presse wandte sich Regierungschefin Lam gegen Pläne von Gewerkschaften und Studentengruppen für einen Aufruf zum Generalstreik. Das widerspreche den Interessen der Hongkonger in der durch das Coronavirus ausgelösten Wirtschaftskrise. Sie verteidigte ihre Politik und meinte, alle Seiten, einschließlich ihrer Regierung, hätten von den Ereignissen des Jahres eine Lektion zu lernen. "Hongkong kann es sich nicht leisten, weiter chaotisch zu sein." Die Bewohner Hongkongs müssten beweisen, dass sie "vernünftige Bürger der Volksrepublik China" seien, wenn sie ihre Freiheiten und Autonomierechte behalten wollten, so Lam.
Auslöser der Proteste vor einem Jahr war ein Gesetzentwurf zur Auslieferung von Straftätern an China. Daraus entwickelte sich eine breite Volksbewegung gegen den zunehmenden Einfluss Chinas in seiner Sonderverwaltungszone Hongkong sowie die zunehmende Polizeigewalt. Immer häufiger kam es zu Ausschreitungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Demokratiebewegung warf den Einsatzkräften unverhältnismäßige Brutalität vor. Seit Beginn der Massenproteste wurden insgesamt rund 9000 Menschen festgenommen, mehr als 500 wurden wegen "Aufruhrs" angeklagt. Ihnen drohen im Falle einer Verurteilung bis zu zehn Jahre Haft.
In diesem Jahr waren wegen der Corona-Krise die Demonstrationen zunächst abgesagt worden, da sich in der Metropole maximal acht Personen in der Öffentlichkeit versammeln dürfen. Die Organisatoren riefen die Regierung auf, die Versammlungsbeschränkungen in der weitgehend corona-freien Stadt aufzuheben. "Das ist noch nicht das Ende dieser Bewegung", sagte Jimmy Sham, der die Civil Human Rights Front anführt.
sam/se (dpa, rtr, afp, ap)