1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erfolge gegen den IS ausbauen und sichern

Barbara Wesel, z.Zt. Paris20. Januar 2016

Die US-geführte Militärkoalition wünscht sich im Kampf gegen die islamistische Terrormiliz mehr Einsatz arabischer Staaten. In Paris sprach man über die weitere Strategie gegen den IS. Von dort berichtet Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/1HhNa
Die Verteidigungsminister der Anti-IS Koalition (Foto: AFP/Alain Jocard)
Suche nach der richtigen Strategie: Sieben Verteidigungsminister der Anti-IS-Koalition in ParisBild: Getty Images/AFP/A. Jocard

"Seit Wochen sehen wir den IS auf dem Rückzug, jetzt müssen wir unsere Anstrengungen im Irak und in Syrien verstärken und eine kohärente Strategie verabreden", sagte der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian nach dem Treffen mit seinen Kollegen in Paris.

Zum ersten Mal, seit Frankreich dieser militärischen Koalition gegen den sogenannten "Islamischen Staat" (IS) beigetreten ist, traf er sich zu einer Strategieberatung mit US-Verteidigungsminister Ashton Carter, sowie den Ministern aus Australien, den Niederlanden, Italien, Großbritannien und Deutschland. Man habe in jüngster Zeit nennenswerte Erfolge erzielt: "Jetzt müssen wir Raqqa und Mossul zurück erobern und von der IS-Tyrannei befreien" so Le Drian. Gleichzeitig müssten die irakischen Truppen so gestärkt werden, dass sie die Bodengewinne auch halten können.

IS-Parade in Rakka (Foto: Reuters/A. Latif)
In Raqqa noch nicht geschlagen - Machtdemonstration des IS im Sommer 2014Bild: Reuters

Es geht um einen nachhaltigen Sieg

Seit den Anschlägen in Paris vom November sei die Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Frankreich enger denn je, erklärte US-Verteidigungsminister Ashton Carter: "Wir wollen einen nachhaltigen Sieg gegen den IS." Carter definierte drei Ziele: Die Koalition wolle den IS in den besetzen Gebieten im Irak und in Syrien zerstören - besonders seine beiden Machzentren in Mossul und Raqqa. Die "Metastasen des IS" müssten weltweit ausgerottet und die Bevölkerungen davor geschützt werden.

Wie man das erreichen könne - das stand im Zentrum der Gespräche in Paris: "Wir haben unsere Pläne und die notwendigen militärischen und zivilen Fähigkeiten diskutiert", sagte Carter.

Das Treffen fand im kleinen Kreis statt - nicht eingeladen waren unter anderem die arabischen Partner. "Wir brauchen unbedingt ihr verstärktes Engagement", sagte der US-Verteidigungsminister, auch bei nicht-militärischen Aufgaben und um die Sicherheit der Nachbarländer zu schützen. Ihre bisherige Beteiligung gilt als enttäuschend.

Weil der Kampf gegen den IS mehr Fähigkeiten und Teilnehmer brauche, lädt Carter für Mitte Februar die Vertreter von 26 Staaten plus Irak nach Brüssel ein. Dort wollen die USA - im Umfeld des Nato-Verteidigungsminister-Treffens - um mehr konkrete Beiträge und mehr Engagement im Kampf gegen IS werben. Dabei soll es auch um Wirtschafts- und Wiederaufbau-Hilfen gehen.

Russland "auf der falschen Spur"

Auf die Frage nach den Klagen über zivile Opfer durch das russische Bombardement in Syrien, berichtete Minister Le Drian, er habe im Dezember mit dem russischen Verteidigungsminister gesprochen. "Wir hoffen, dass Russland sich auf den IS konzentriert", betonte er, aber man könne sich nicht koordinieren, wenn man sich über die Ziele nicht einig sei.

Ashton Carter sagte es noch unverblümter: "Wir arbeiten vor allem daran, dass unsere militärischen Einsätze sich nicht kreuzen. Russland ist auf der falschen Spur, strategisch und teilweise auch taktisch."

Die militärischen Ziele sind erreichbar

Wie realistisch ist das, was die Verteidigungsminister in Paris verkündeten? "Es wird langwierig, aber wir könnten es in absehbarer Zeit schaffen, den IS im Irak und in Syrien militärisch zu besiegen", sagt General a.D. Dominique Trinquant, Ex-Chef der französischen UN-Mission in New York und heute militärischer Berater. Wie lange das dauern könne? Vielleicht ein paar Jahre, bis man es wirklich einen "militärischen Sieg" nennen könne.

Porträt Dominique Trinquant, General a.D (Foto: DW/B. Wesel)
General a.D. Dominique TrinquantBild: DW/B. Wesel

Wie bewertet er die Veröffentlichungen, wonach die Koalition dem IS in den letzten Wochen 40 Prozent seines Gebiets im Irak und 10 Prozent in Syrien abgenommen habe? Es sei schwierig zu verifizieren, aber Trinquant hält es für möglich. Allerdings komme es nicht auf die Menge, sondern auf die Qualität der Geländegewinne an. "Eine Stadt wie Raqqa zurück zu erobern, ist wichtiger, als 50 Quadratkilometer Wüste einzunehmen". Die jüngsten Aktionen der irakischen Regierung seien ermutigend, jetzt müsse die Koalition jedoch deutlich mehr investieren, um deren Soldaten auszubilden.

Die Hauptprobleme beim Kampf gegen den IS sieht Trinquant in der Grundentscheidung der westlichen Koalition, keine Bodentruppen einzusetzen. Keine "boots on the ground" bedeute, dass man abhängig sei von irakischen Regierungstruppen oder kurdischen Kämpfern in Syrien, die die Vertreibung der Terrormiliz nach den Luftschlägen vollenden müssten.

"Unsere Gesellschaften haben die Idee verloren, dass Soldaten Opfer bringen müssen, dass sie vielleicht im Einsatz sterben", meint der Ex-General. Aber ohne das werde es kaum gehen. In Frankreich allerdings sieht er nach den Anschlägen von Paris einen Anstieg der Bewerbungen bei der Armee und mehr Willen, die eigene Lebensform und das Land aktiv zu verteidigen.

Soldaten nach den Terroranschlägen in Paris (Foto: dpa/M. Christians)
Einsatz in Paris: Soldaten sichern nach den Terroranschlägen im November 2015 die Gegend um den EiffelturmBild: picture-alliance/dpa/M. Christians

Langfristig auf Terrorismus einrichten

Selbst wenn der IS aus Syrien und dem Irak - und mit Hilfe der einheimischen Milizen auch aus Libyen vertrieben werden kann - der Kampf sei danach auf Jahre nicht vorbei, sagt der Militärberater. Allerdings:"Wenn wir ihnen das Gebiet abnehmen können, das sie als ihren 'Staat' bezeichnen, hätten wir sie im Herzen ihrer Ideologie getroffen. Weil für den IS die Errichtung des sogenannten Kalifats zentrale Bedeutung hat".

Ein harter Kern des IS werde sich aber international verteilen und weiter Anschläge gegen weiche Ziele im Westen und bei seinen Alliierten durchführen. "Wir müssen uns für die nächsten zehn Jahre auf Terroranschläge einrichten. Sie sind in unseren Gesellschaften nicht wirklich zu verhindern. Und der Kampf gegen den extremistischen Islam ist eine sehr langfristige Aufgabe. Leider denken die Politiker in der Regel zu kurzfristig". Zwar sprach Frankreichs Verteidigungsminister Le Drian nach dem Treffen in Paris auch über den ideologischen Kampf gegen IS, aber wie der konkret geführt werden soll, blieb offen.

Für unabdingbar hält Trinquant eine Umkehr der Sparmaßnahmen bei den Militärausgaben. "Die französische Armee ist schon jetzt an den Grenzen ihrer Fähigkeiten. Ständig 10.000 Soldaten zum Schutz von Paris abzuordnen, und 20.000 rotierend in internationalen Einsätzen - das ist auf Dauer nicht zu schaffen". Gleiches gelte für die Nachbarn: Großbritannien oder Deutschland, alle hätten Truppenstärke abgebaut. Dieser Trend müsse umgekehrt werden, sonst würde die Sicherheit der Bevölkerungen in den nächsten Jahren darunter leiden.