1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Erektionsstörungen: Krankes Herz, kranker Penis

22. Oktober 2021

Herzerkrankungen, Diabetes, Depressionen - Impotenz kann viele Gründe haben. Die gute Nachricht: Erektile Dysfunktionen lassen sich behandeln. Die schlechte Nachricht: Viele Männer meiden aus Scham den Arztbesuch.

https://p.dw.com/p/41yzh
Symbolbild Erektionsstörung: Hängende Banane in der Hose
Sexuelle Potenz wird oft mit Männlichkeit verwechselt. Deshalb schweigen so viele, die von Erektionsstörungen betroffen sindBild: Axel Bueckert/Zoonar/picture alliance

Über Impotenz spricht man(n) nicht gerne. Es sei denn, man(n) ist Urologe und findet, dass nicht zu sprechen ja auch niemandem hilft. Schon gar nicht Männern mit erektilen Dysfunktionen.

Der Urologe heißt Atiqullah Aziz und ist Chefarzt an der Klinik für Urologie der München Klinik Bogenhausen. Im Gespräch mit ihm wird klar: Eine Erektionsstörung kommt selten allein.

Sexuell potent gleich männlich

"Allein in Deutschland sind 4 bis 6 Millionen Männer betroffen", sagt Aziz. Das sind allerdings nur die offiziellen Zahlen, die sich mit Hilfe epidemiologischer Studien ermitteln lassen. "Die Dunkelziffer dürfte um einiges höher liegen", vermutet der Urologe. Männer mit erektiler Dysfunktion sind also keine Einzelfälle.

Fachleute vermuten, dass nur etwa 20 % der Betroffenen einen Arzt aufsuchen, um sich behandeln zu lassen. Selbsthilfegruppen weisen darauf hin, dass sexuelle Potenz und Männlichkeit oft gleichgesetzt werden, was die Betroffenen derart beschämt, dass sie nicht einmal innerhalb der Partnerschaft über ihr Leiden reden können. Diese Scham kann fatal sein.

Symbolbild I Fettleibigkeit I Adipositas I Übergewicht I Diabetis I Obesity
Starkes Übergewicht geht oft mit Herz-Kreislauferkrankungen oder Bluthochdruck einher. Nicht gut für die PotenzBild: picture-alliance/D. Lipinski

Der Penis als Frühwarnsystem

"Eine Erektionsstörung kann ein früher Hinweis auf eine Herz-Kreislauferkrankung sein. Einen Herzinfarkt zum Beispiel.", sagt Atiqullah Aziz. "Krankes Herz, kranker Penis!"

Wer zu Aziz in die Klinik kommt, wird deshalb nicht nur zwischen den Beinen untersucht. "Meist wird schnell der Zusammenhang mit einem anderen Problem klar." Diabetes, Adipositas, Nikotinsucht und zu viel Alkohol schmälern die Potenz, so Aziz. 

Der Urologe schlägt seinen Patienten deshalb zunächst eine Veränderung ihres Lebensstils vor. Studien, die den Zusammenhang zwischen Ernährung und Erektionsstörungen untersucht haben, konnten zeigen, dass eine gesunde Ernährung mit einem geringeren Risiko für erektile Dysfunktionen assoziiert ist. 

In einem Artikel der Harvard Medical School ist von fünf Maßnahmen die Rede, mit denen Männer einer erektilen Dysfunktion nicht nur vorbeugen, sondern eine bereits bestehende Störung behandeln können: regelmäßige Bewegung, gute Ernährung, ein gesundes Herz-Kreislaufsystem, kein Übergewicht und ein gut trainierter Beckenboden.

Viagra
Warum den Lebensstil ändern, wenn es Viagra gibt?Bild: picture-alliance/dpa/U.Deck

"Leider nehmen die meisten Männer lieber eine Tablette, die das Problem löst", sagt Atiqullah Aziz und klingt ein bisschen resigniert. Phosphodiesterase-5-Hemmer, auch PDE-5-Hemmer genannt, sind das Mittel der Wahl. Viagra ist wohl der bekannteste Vertreter. Wird der Mann sexuell stimuliert, verstärken die PDE-5-Hemmer die Durchblutung des Penis und damit die Erektion.

"Wenn auch die Pille nicht hilft, gibt es weitere, invasivere Möglichkeiten", sagt Aziz. Die Schwellkörper- oder Penis-Prothese kommt zum Einsatz, wenn andere Behandlungen nicht mehr helfen. 

Die meisten Penis-Prothesen funktionieren mit Hilfe einer Pumpe, die der Chirurg während der Operation im Hodensack platziert. Über die Betätigung der Pumpe gelangt Flüssigkeit in die Prothese im Penis. Fertig ist die Erektion.

Es spricht viel dafür einen Arzt aufzusuchen, wenn der Penis nicht mehr mitmacht. Weder die Erektionsstörung noch die Scham darüber verschwinden, wenn Mann versucht, die Dysfunktion zu ignorieren. Im Gegenteil, meist wird das Problem dadurch nur noch größer.

"Performance, performance, performance"

"Besonders bei jungen Männern können psychische Belastungen zu Erektionsstörungen führen", sagt Aziz. Das könnten hoher Druck im Job, aber auch Beziehungsprobleme oder Depressionen sein. "Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und oft zählt nur performance, performance, performance", so der Urologe. Der Penis auch als Frühwarnsystem einer überlasteten Psyche.

Wenn das Sexleben leidet, werden Druck oder Depression oft noch verstärkt. Ein Teufelskreis, aus dem oft nur die herauskommen, die ihre Scham überwinden und sich dem Problem stellen. Männern, bei denen Aziz keine organische Ursache für die erektile Dysfunktion feststellen kann, rät er zur Sexualtherapie. 

Sprachlosigkeit schlimmer als Erektionsstörung

In einer Anfang 2021 erschienen Publikation konstatierten die Forschenden, dass eine medikamentöse Therapie in Kombination mit einer psychotherapeutischen Behandlung von Erektionsstörungen am erfolgversprechendsten sei.

Für Männer, die in Partnerschaften leben, lohnt es sich noch aus einem anderen Grund, über ihre erektile Dysfunktion zu reden. Die "Selbsthilfegruppe Impotenz" schreibt auf ihrer Homepage: "Die Frauen, die sich an uns wenden, leiden in der Regel wesentlich mehr unter dem Rückzug und der Sprachlosigkeit ihres Partners als unter der Erektionsstörung."