Erdogan will Böhmermann weiter verklagen
10. Oktober 2016Recep Tayyip Erdogan gibt sich noch nicht geschlagen: Der türkische Präsident fordert weiter eine Anklage des TV-Satirikers Böhmermann wegen dessen "Schmähgedichts". Erdogans Anwalt habe Beschwerde eingelegt, erklärte die Staatsanwaltschaft in Mainz. Diese werde von nun der Generalstaatsanwaltschaft in Koblenz geprüft.
Der Grimme-Preisträger Böhmermann hatte sein Gedicht "Schmähkritik" Ende März in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen. Darin brachte er Erdogan mit Kinderpornografie und Sex mit Tieren in Verbindung. Zuvor betonte Böhmermann allerdings: Anders als Satire sei solch ein "Schmähgedicht" in Deutschland nicht zulässig.
Diesen Zusammenhang berücksichtigte die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung. Die Ermittlungen wegen Beleidigung nach Paragraf 185 und wegen Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs waren am Dienstag voriger Woche eingestellt worden. Die Staatsanwaltschaft kam zu dem Schluss, dass es Böhmermann nicht nachgewiesen werden könne, dass er Erdogan wirklich beleidigen wollte.
Das Bundeskanzleramt machte dagegen keine Einwände geltend. Das Amt sei bereits am 14. September im Rahmen einer Anhörung nach den "Richtlinien über das Straf- und Bußgeldverfahren" über die juristische Bewertung des umstrittenen Schmähgedichts unterrichtet worden, sagte ein Regierungssprecher dem Berliner "Tagesspiegel". Es sei jedoch "keine Stellungnahme abgegeben" worden, sagte der Sprecher weiter. Hätte die Regierung widersprochen, hätten die Staatsanwaltschaft in Mainz demnach die Einwände den Richtlinien zufolge bei ihrer Entscheidung über das Verfahren würdigen müssen.
Am Sonntag ging die Beschwerde von Erdogans Anwalt in Mainz ein. Die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz wird nach eigenen Angaben nun die Akten sichten. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, war zunächst nicht klar. Es werde "zu gegebener Zeit" darüber informiert, so die leitende Oberstaatsanwältin in Mainz.
Weitere Klage anhängig
Unabhängig von dem Verfahren in Rheinland-Pfalz - dem Sitz des ZDF - gibt es noch eine Privatklage Erdogans gegen Böhmermann, über die Anfang November vor der Zivilkammer in Hamburg verhandelt werden soll.
Böhmermanns Gedicht hatte eine lange Diskussion darüber ausgelöst, was Satire in Deutschland darf und was nicht. Außerdem schaltete sich die Politik ein: Die Türkei verlangte rechtliche Schritte gegen den 35-jährigen Satiriker - kurz darauf machte die Bundesregierung den Weg frei für ein Strafverfahren nach Paragraf 103. Böhmermann legte eine Fernsehpause ein und stand einige Zeit lang unter Polizeischutz. Wegen einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg darf Böhmermann das "Schmähgedicht" derzeit zu großen Teilen nicht öffentlich wiederholen.
Bei dem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ZDF aber sitzt der Moderator derzeit fest im Sattel: Gerade erst wurde sein Vertrag bis Ende 2017 verlängert.
stu/rb (afp, dpa)