Deutschland auf Ebola eingerichtet
19. September 2014Deutsche Welle: Herr Schaade was bedeutet die Ebola-Epidemie für Deutschland. Wären wir gut vorbereitet wenn der erste Infizierte hier ankommt.
Lars Schaade: Ja ich denke wir wären ganz gut vorbereitet. Deutschland hat einerseits ein relativ robustes Gesundheitssystem, sowohl was die Behandlung von Patienten, als auch was das öffentliche Gesundheitswesen angeht. Vor allen Dingen haben wir auch vor einigen Jahren begonnen, spezielle Sonderisolierstationen für hochinfektiöse Krankheiten einzurichten. Diese Isolierstationen gibt es an sieben Standorten in Deutschland und die sind speziell darauf vorbereitet, Patienten kompetent zu behandeln, unter sicheren Bedingungen auch für das Personal.
Wo ist Ebola denn mit anderen gefährlichen Viren zu vergleichen?
Es ist immer die Frage, welches Kriterium man nimmt. Zunächst muss man feststellen, dass Ebola nicht über die Luft übertragen wird, also in diesem Sinne nicht hochinfektiös ist. Aber wenn man mit Körperflüssigkeiten eines Infizierten oder Toten in Berührung kommt, reichen schon sehr wenige Viruspartikel aus, um sich anzustecken. Hinzu kommt, dass das Virus sehr stark krankheitserzeugend ist - hoch virulent, wie wir sagen. Insofern betrachten wir es also doch als hochansteckend.
Nun können Viren ja sehr schnell mutieren. Wird Ebola dadurch eher ungefährlicher oder noch gefährlicher?
Das kann man so nicht abschätzen. Sicherlich verändert sich das Ebola-Virus, wie andere Viren auch. Die Viren werden in Afrika auch analysiert und es zeigt sich: Sie verändern sich. Aber es gibt bisher noch überhaupt keinen Hinweis darauf, dass sich an der Infektiösität oder auch an der Übertragbarkeit irgendetwas verändert hat. Das wäre nach der langen Historie, die das Ebola-Virus ja schon hat so auch nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Es gab ja immer wieder Ausbrüche in Afrika. Die sind meist relativ schnell wieder in sich zusammengebrochen. Diesmal scheint irgendwie alles anders zu sein. Wir haben schon mindestens 5000 Infizierte. Können Sie abschätzen wie viele es noch werden?
Das kann man nicht wirklich abschätzen. Man kann sicherlich sagen, dass es in den kommenden Jahren noch mehr Patienten werden. Die WHO geht von bis zu 20.000 Infizierten aus. Es gibt aber auch Modelle von anderen Forschern, die sagen, es könnten sogar schon bald bis zu 20.000 im Monat werden. Eine Obergrenze kann realistischerweise niemand festlegen, weil es sehr stark davon abhängt, wie jetzt die Hilfsmaßnahmen greifen und vor allem auch, wie die Bevölkerung letztendlich reagiert, wie das Wissen über den Umgang mit dem Virus dort Wirkung zeigt. Man kann über das Verhalten letztlich sehr viele Infektionen vermeiden.
Heißt das, es geht jetzt in Afrika vor allem darum, Wissen zu vermitteln und Verhalten zu verändern? Wie wichtig sind dann Hightech-Maßnahmen, wie die Impfstoffentwicklung?
Zunächst, in der ganz akuten Phase, geht es nicht um Hightech-Maßnahmen. Das muss man ganz klar sagen. Es geht darum, Isolationszentren einzurichten, damit Infizierte nicht mehr die Gesunden infizieren können - in der Familie, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf der Straße. Dort gibt es teilweise sehr enge Kontakte zwischen den Menschen. Die Straßen sind sehr bevölkert. Dann ist es ganz wichtig, dass man aufklärt, durch Informationskampagnen. Die Menschen müssen gut über die Erkrankung Bescheid wissen, sich auch selbst beobachten und wissen was zu tun ist, wenn sie Symptome bemerken, gerade wenn möglicherweise schon Familienangehörige vorher mit Ebola infiziert waren.
Das Interview führte Ingolf Baur in Projekt Zukunft
Lars Schaade ist seit 2011 Vizepräsident des Robert-Koch Instituts. Er hat als Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie an der Universität Göttingen promoviert. Von 2002 bis 2010 arbeitete er im Referat für übertragbare Krankheiten, AIDS und Seuchenhygiene des Bundesministeriums für Gesundheit.