Entwicklung ja, aber wie?
1. Dezember 2008"Es wird bei Entwicklung nie über Menschen geredet, die täglich ums Überleben kämpfen. Menschen, die entscheiden müssen, welchem ihrer Kinder sie das Essen geben, damit eines überlebt, weil sie nicht beide retten können. Das ist die grausame Wahl, vor der viele Menschen täglich stehen", sagt Sylvia Borren. Sie ist Vorstandsmitglied von GCAP, Global Call for Action against Poverty. Das Netzwerk, das aus Gewerkschaften, Frauenorganisationen, Umweltorganisationen, Kirchen und anderen Interessengruppen aus über 100 Ländern besteht, ist mittlerweile die weltweit größte Bewegung der globalen Zivilgesellschaft. Bei den letzten Aktionstagen Mitte Oktober 2008 hat GCAP fast zwei Prozent der gesamten Weltbevölkerung gegen Armut und Ungleichheit mobilisieren können.
Dabei ging es auch um das Recht auf Entwicklung, so Sylvia Borren: "Was in den vergangenen 60 Jahren passierte, ist grob gesagt, dass der Westen auf politische Rechte fokussiert hat - wie Rede- und Bewegungsfreiheit. Während andere Länder wie Russland, China, die osteuropäischen Länder und manche afrikanische Länder vor allem über soziale und ökonomische Rechte geredet haben. Ich glaube, jeder, der versucht die Rechte aufzuteilen, begeht einen riesigen Fehler. Die Menschenrechte waren nie als Menü zum Aussuchen gedacht."
Eine Frage des Überlebens
Für Sylvia Borren und für die mehr als 116 Millionen Menschen, die an den diesjährigen Aktionstagen der GCAP teilgenommen haben, ist die Frage nach einem Recht auf Entwicklung eine Überlebensfrage. Die Erde könnte alle Menschen ernähren, wenn die Ressourcen umverteilt würden, und doch hungern fast eine Milliarde Menschen. Dabei haben die Vereinten Nationen 1986 zur Verdeutlichung eine "Erklärung zum Recht auf Entwicklung" angenommen, wo es nochmals um die Umverteilung der Ressourcen und das Recht auf Entwicklung ging.
Margaret Sekaggya ist Vorsitzende der Uganda Menschenrechtskommission und UN-Sonderberichterstatterin über die weltweite Situation der Menschenrechtsvorkämpfer. Sie ist überzeugt, dass Entwicklung ein Menschenrecht ist. "Es ist eine der wichtigsten Fragen, vor allem in den Entwicklungsländern."
Alle sind bereit zu teilen - theoretisch
Auf eine schlichte Formel gebracht: Es geht ums Teilen. Seit Jahren versprechen die reichen UN-Mitgliedsstaaten 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts in Entwicklungshilfe zu investieren. Bis 2015 wollen die EU-Länder alle so weit sein, wobei es Deutschland bis heute erst auf gut die Hälfte der versprochenen Summe geschafft hat.
Dabei, so Eibe Riedel, deutscher Professor und Experte für Völker- und Europarecht, muss doch jedem klar sein, dass auch Menschenrechte nicht umsonst zu haben seien: "Es gibt kein Menschenrecht, das nichts kostet. Es geht eigentlich nur um die Frage, wie die Ressourcen eingesetzt werden. Und für manche wirtschaftlichen und sozialen Rechte muss eben ein größerer Umfang an Geldmitteln eingesetzt werden."
Faire Handelsbedingungen nötig, nicht nur milde Gaben
Mit Geld allein ist es aber auch nicht getan, sagt Borren von GCAP. Das Wirtschaftssystem müsse gleicher und von unten reformiert werden. Es bringe nichts, wenn reiche Länder gewinnbringend subventionierte Produkte als Hilfe in die Entwicklungs- und Schwellenländer schicken. Es müsse in Menschen und ihre Entwicklung auf lokaler Ebene investiert werden. "Das Geld, das in die offizielle Entwicklungshilfe gesteckt wird, sind nur ein paar Prozent von dem, was die reichen Länder durch unfairen Handel, Schuld- und Zinszahlungen verdienen. Der reiche Westen spielt ein unfaires Spiel und blockiert effektiv die Entwicklung in vielen Ländern", zeigt sich Borren sicher.
Entwicklung kann nur in Partnerschaft stattfinden, so wie es auch in der Millenniumserklärung der Vereinten Nationen festgeschrieben ist, meint Sekaggya von der Uganda Menschenrechtskommission: "Die Entwicklungspartner sind nicht mehr die Chefs, die Bedingungen aufstellen, sondern Entwicklungspartner des Landes. Es geht um Zusammenarbeit."
So wie es auch im Millenniumsziel Nummer 8 steht: Eine Partnerschaft nicht nur zwischen Geber- und Empfängerländer, sondern auch zwischen Wirtschaft und Zivilgesellschaft.