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Kritik an Impfstoff gegen Dengue-Fieber

Brigitte Osterath16. Juli 2014

Er ist der am weitesten entwickelte Impfstoff gegen Dengue-Fieber und könnte viele Todesfälle verhindern. Aber einige befürchten, er könnte die Situation in einigen Ländern sogar noch verschlimmern.

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Kind wird geimpft Foto: Sanofi Pasteur
Bild: Sanofi Pasteur/Institut Pasteur

"Die nächste Krankheit, gegen die es einen Impfstoff gibt, wird Dengue-Fieber sein - wir sind auf dem besten Weg dahin", sagte John Shiver, Senior Vice President für Forschung und Entwicklung bei Sanofi Pasteur der Presse. Die Impfsparte des französischen Pharmaunternehmen feierte die Ergebnisse einer klinischen Studie in Phase III, die jetzt #link:http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(14)61060-6/abstract:in "The Lancet" veröffentlicht wurden#.

Die Forscher hatten Kinder in Vietnam, Thailand, Indonesien, Malaysia und auf den Philippinen mit dem Mittel geimpft. Die Kinder im Alter zwischen zwei und 14 Jahren erhielten drei Injektionen im Abstand von jeweils sechs Monaten.

Der Impfstoff mit dem kryptischen Namen CYD-TDV zeigte eine Wirksamkeit von 56,5 Prozent gegen Dengue-Infektionen. "Das ist weniger als wir gehofft hatten", sagt Annelies Wilder-Smith von der Nanyang Technological University in Singapur im DW-Interview. Sie war an der Entwicklung des Impfstoffs beteiligt, allerdings nicht an der jetzt abgeschlossenen Phase III. "Wir hatten auf mindestens 90 Prozent Wirksamkeit gehofft."

Allerdings: Allein die bloße Tatsache, dass es eine klinische Studie zu einem Dengue-Impfstoff in die Phase III geschafft hat, sei zu würdigen, sagt sie. Das ist die letzte und teuerste Phase in der Impfstoffentwicklung - ist sie zufriedenstellend abgeschlossen, kann ein Impfstoffhersteller die Zulassung beantragen und den Impfstoff auf den Markt bringen. Für Dengue-Fieber war das die bisher erste Phase-III-Impfstudie überhaupt.

Dengue-Fieber unter dem Elektronenmikroskop Bild: Sanofi Pasteur
Bisher gibt es keinen zugelassenen Impfstoff, der vor Dengue-Viren schütztBild: Sanofi Pasteur/Institut Pasteur

Gute und schlechte Neuigkeiten

"Auf die Ergebnisse aus dieser Studie haben wir lange gewartet", sagt Jonas Schmidt-Chanasit der DW. Er ist Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Die gute Nachricht sei, dass der Impfstoff sicher sei, es also keine gefährlichen Nebenwirkungen gebe. "Die Wirksamkeit allerdings ist mit Vorsicht zu genießen."

Eine Wirksamkeit von 56,5 Prozent bedeutet, dass der Impfstoff die Zahl der Dengue-Infektionen in etwa halbiert. "Das allein wäre schon ein Durchbruch", sagt Wilder-Smith. Vor allem aber reduziert der Impfstoff die Zahl der schweren Krankheitsfälle um 88,5 Prozent. Jedes Jahr erkranken etwa eine halbe Million Menschen, vor allem Kinder, an dieser schweren Form, hämorrhagisches Dengue-Fieber genannt. Einige sterben daran.

"Der Impfstoffkandidat könnte die Gesundheit eines Landes, in dem Dengue-Fieber oft auftritt, sehr verbessern", sagte Maria Rosario Capeding, Erstautorin der Studie vom Forschungsinstitut für Tropenmedizin auf den Philippinen.

Schmidt-Chanasit hingegen warnt, sich nicht zu früh zu freuen. Das Problem sei nicht die Wirksamkeit von 56,5 Prozent an sich - sondern dass der Impfstoff nicht gegen alle Subtypen von Dengue-Viren gleich gut wirkt. Und das könne gefährlich werden.

Blutgefäße Bild: Sanofi Pasteur
Bei einem hämorrhagischen Dengue-Fieber kommt es zu inneren BlutungenBild: Sanofi Pasteur/Institut Pasteur

Nicht alle Dengue-Viren sind gleich

Es gibt vier Subtypen von Dengue-Viren, namens Serotypen 1, 2, 3 und 4. Sie kommen nebeneinander vor, und Menschen können sich mit jedem von ihnen im Laufe ihres Lebens infizieren. Wenn jemand aufgrund einer früheren Erkrankung gegen einen Typ immun geworden ist, besteht trotzdem kein Schutz gegen die anderen drei Virusarten.

"Das Ziel war es, einen Impfstoff zu entwickeln, der gegen alle vier Serotypen gleich gut schützt", sagt Schmidt-Chanasit. Das scheint aber nicht gelungen zu sein, wie die Studiendaten zeigen: Sanofi Pasteurs Impfstoff schützt mit einer Wirksamkeit von 75 Prozent gut gegen die Serotypen 3 und 4. Der Schutz gegen Serotyp 1 ist mit 50 Prozent mittelmäßig - und gegen Serotyp 2 mit 35 Prozent nur gering.

"Ein enttäuschendes Ergebnis", meint Wilder-Smith, vor allem, da in vielen Gegenden der Welt Serotyp 2 der häufigste Dengue-Typ ist.

Ein gefährliches Szenario

Der Impfstoff könnte die Situation in Dengue-endemischen Ländern noch verschlimmern, fürchtet Schmidt-Chanasit. Er könnte einige Subtypen zurückdrängen; der eine, gegen den nur geringer Schutz besteht, könnte sich durchsetzen. "Und dann haben wir ein massives Problem."

Wenn jemand immun gegen mehrere Dengue-Subtypen ist, aber an einem anderen Virustyp erkrankt, wäre der Krankheitsverlauf sehr viel schlimmer, als wenn überhaupt keine Immunität besteht, erklärt der Virenexperte.

Wilder-Smith hingegen hält diese Sorge für unberechtigt. "Das ist nur eine theoretische Gefahr und wurde bisher nie gezeigt." Die Daten aus der klinischen Studie würden eher das Gegenteil andeuten: "Auch wenn der Impfstoff nur gegen die Subtypen 1, 3 und 4 schützt, wird er wahrscheinlich trotzdem vor den schweren Formen des Typs 2 schützen."

An Dengue-Fieber erkranktes Kind in Rio de Janeiro Foto: Sanofi Pasteur
Forscher warten gespannt auf die Studienergebnisse aus LateinamerikaBild: Sanofi Pasteur/Institut Pasteur/Marizilda Cruppe

Entwicklungsarbeit noch lange nicht abgeschlossen

In der Region in Asien, in der die klinische Studie stattfand, ist Serotyp 2 nicht häufig. Schmidt- Chanasis ist daher "gespannt zu sehen", was die Daten aus einer zweiten klinischen Studie mit demselben Impfstoff zeigen werden. Forscher führen sie gerade in Lateinamerika und der Karibik durch und erwarten Ergebnisse Ende des Jahres. In diesen Teilen der Welt ist Serotyp 2 sehr verbreitet.

Wilder-Smith sagt, es sei zudem wichtig, die Kinder aus der klinischen Studie in Asien weiterhin zu beobachten, um zu sehen, ob an der Theorie, dass schwere Dengue-Erkrankungen bei Geimpften zunehmen könnten, etwas dran sei. Die Forscher beobachten die Kinder noch mindestens bis zum Jahr 2017.

Eines habe die klinische Studie in jedem Fall gezeigt, meint Schmidt-Chanasit: dass weiterhin viel Geld und Arbeit in die Entwicklung neuer Medikamente gegen Dengue-Fieber gesteckt werden muss sowie in die Mückenbekämpfung. "Das Dengue-Problem kann man nicht alleine mit einem Impfstoff lösen, jedenfalls nicht in den nächsten Jahrzehnten, und vor allem nicht mit diesem Impfstoff", sagt er.