Entsetzen über "Amoktat" in Berlin
9. Juni 2022"Die grausame Amoktat an der Tauentzienstraße macht mich tief betroffen", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz. "Die Reise einer hessischen Schulklasse nach Berlin endet im Alptraum. Wir denken an die Angehörigen der Toten und an die Verletzten, darunter viele Kinder. Ihnen allen wünsche ich eine schnelle Genesung", twitterte der Regierungschef. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach den Angehörigen und Hinterbliebenen sein "tiefes Mitgefühl" aus.
Die Schülergruppe aus Bad Arolsen, die sich auf einer Klassenfahrt in Berlin befand, war am Mittwochvormittag auf einem Gehweg in der Nähe der Gedächtniskirche von einem Auto erfasst worden, ihre Lehrerin wurde in den Tod gerissen. Die Zahl der Verletzten wurde mit 14 angegeben. Insgesamt wurden laut Polizei durch die Tat 32 Menschen verletzt.
Am Steuer des Fahrzeuges saß ein 29 Jahre alter, in Berlin lebender Deutsch-Armenier. Er wurde von Passanten festgehalten, Einsatzkräften der Polizei übergeben und in ein Krankenhaus gebracht. "Nach neuesten Informationen stellt sich das Geschehen in der Tauentzienstraße als eine Amoktat eines psychisch beeinträchtigten Menschen dar", erklärte Innensenatorin Iris Spranger.
Unterbringung in Psychiatrie
Die Berliner Staatsanwaltschaft lässt den 29-Jährigen vorläufig in einer Psychiatrie unterbringen. Einem entsprechenden Antrag gab das Amtsgericht Tiergarten statt. Es spreche "relativ viel" für eine paranoide Schizophrenie des Mannes, sagte Oberstaatsanwalt Sebastian Büchner. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung seien Medikamente gefunden worden. Zudem habe er seine behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden.
Ob die Erkrankung wirklich ursächlich für die Tat war, sollen laut Büchner die weiteren Ermittlungen zeigen. Ein Terrorakt werde jedoch derzeit ausgeschlossen, ein Unfall ebenfalls.
Kein Bekennerschreiben
Hinweise auf eine "politische Tat" lägen derzeit nicht vor, berichtete die Berliner Polizei-Präsidentin Barbara Slowik. "Es gibt entgegen der Aussagen, die zwischendurch mal kamen, kein Bekennerschreiben", bekräftigte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey. Es seien auf der Rückbank des Wagens lediglich zwei Plakate gefunden worden. Es sei noch nicht geklärt, ob diese im Zusammenhang mit dem Vorfall stünden, wem sie gehörten und ob dahinter eine politische Aussage stehe. "Wir haben in den ersten Vernehmungen da auch noch keine klaren Aussagen bekommen." Laut Senatorin Spranger befanden sich auf den Plakaten Äußerungen "über die Türkei".
Die Tauentzienstraße befindet sich unweit des Breitscheidplatzes, auf dem im Dezember 2016 ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen in einen Weihnachtsmarkt gerast war. Dabei und an den Spätfolgen starben insgesamt 13 Menschen, mehr als 70 wurden damals verletzt.
wa/ie/se (dpa, afp)