Energiepaket auf dem Dach
18. September 2008Voll Grazie und Eleganz biegen sich drei schmale Bänder um einen vertikalen Stab, der rund acht Meter in den Himmel ragt. Die Nachbarn des King’s College in Wimbledon waren der Meinung, eine moderne Skulptur sei auf dem Neubau der Schule errichtet worden.
Prosaische Zeitgenossen verglichen das Gebilde mit den Rührstäben eines Handmixers. Dabei wurden die Windturbinen des britischen Jungunternehmens Quiet Revolution schon vielfach ausgezeichnet. Auch für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland wurden sie jetzt nominiert.
Wie ein Rührstab eines Handmixers auf dem Dach
"Nur über meine Leiche kaufen wir eine Windturbine", das bekam Geschäftsführerin Julia Groves vielfach zu hören. Aber die ablehnenden Zweifler zeigen sich in den meisten Fällen angenehm überrascht, wenn sie die Turbinen dann mit eigenen Augen sehen. Julia und die drei anderen Unternehmensgründer hoffen nun, das Image der Windräder weltweit zu verbessern, und damit nicht unwesentlich auch zum Klimaschutz beizutragen.
Im Gegensatz zu herkömmlichen Windenergieanlagen drehen sich die Bänder des sogenannten ‚QR5‘ vertikal um einen Mast und müssen nicht in die Windrichtung gedreht werden. Besonders in städtischer Umgebung, in der sich Windrichtung und Windstärke in den Häuserschluchten ständig verändern, dreht sich das Windrad in jeder Brise. Ein weiterer Vorzug dieses Designs: die Turbine ist vergleichsweise geräuscharm und schon deshalb für den Einsatz auch in Wohngebieten geeignet.
"Jede Turbine erzeugt – je nach Standort – 8.000 bis 10.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr", erklärt Julia Groves, und das sei ausreichend für den Energiebedarf eines Zweifamilienhauses oder eines Bürogebäudes für 20 Angestellte. Noch ist diese Art der Stromgewinnung aber nicht ganz billig. Bei einem Stückpreis von rund 40.000 Pfund, nach aktuellem Kurs rund 50.000 Euro, dauert es 15 bis 20 Jahre, bis der Kauf der Turbine sich gerechnet hat. Und schon aus diesem Grund freuen sich die Jungunternehmer über die Geldspritze, die sie vom deutschen Energiekonzern RWE bekommen haben - 7,5 Millionen Euro.Auch die großen Energiekonzerne wittern die Zukunftsmärkte
Das RWE-Geld soll dem Jung-Unternehmen helfen, schneller zu wachsen und so den Stückpreis für die Turbinen zu drücken. Anstatt also zehn Windräder für 35.000 oder 40.000 Pfund pro Monat herzustellen, sollen künftig vielleicht hundert zu 20.000 Pfund pro Stück vom Band laufen. Noch ist der Mini-Windanlagenbauer in Verhandlungen mit dem Energie-Giganten RWE. Die Atmosphäre stimme aber schon mal, sagt Julia Grove. "Die RWE-Vertreter haben verstanden, daß wir eine völlig neue Technik entwickelt haben, sie verstehen die Materie".
Offenheit trotz sensiblen Know-hows
Zwischen den Unternehmen herrsche Offenheit – über die Dinge, die bereits perfekt funktionieren, und auch über die, die noch verbessert werden müssen. Nur deshalb habe sich das Jungunternehmen ‘Quiet Revolution’ für die Zusammenarbeit mit RWE, und gegen andere Angebote vergleichbarer Investoren entschieden. "Wir haben eine gute Wahl getroffen – für beide Seiten", sagt Julia Groves heute.
‚Quiet Revolution‘ hofft, die Windräder im kommenden Jahr auch nach Deutschland zu exportieren. Aber vorher gilt es, sich mit den Gesetzen und Vorschriften im Ausland vertraut zu machen, Monteure und Techniker zu finden, die die Installation und Wartung vor Ort übernehmen können.
Übrigens sollten sich die 765 Deutschen, die schon per Email eine Turbine bestellen wollten, in Geduld üben: eine kleine Version des Windrads für private Haushalte ist noch im Entwicklungsstadium. Zwei Jahre wird es sicher noch dauern, bis die in Serie gehen wird.