Wie trifft die Energiekrise den Tourismus in Deutschland?
12. September 2022Ohne warmes Wasser geht nichts im Resort Mark Brandenburg in Neuruppin. Das Hotel verfügt über einen Spa-Bereich und eine Thermenlandschaft mit mehreren Schwimmbecken, die zum Teil auf "wohlige 32 Grad" geheizt werden wie es heißt. Angesichts der aktuellen Energiekrise und der in die Höhe schießenden Preise wird das nun zunehmend zum Problem. "Unsere Kosten im Energie- und Wärmebereich steigen drastisch", sagt Hoteldirektor Martin Wenzel. "Dies wird zu Verlusten führen, da Kostensteigerungen in diesem Maße nicht an den Hotelgast weitergegeben werden können."
Der Druck auf die Branche wächst
Wie Wenzel ergeht es derzeit vielen Unternehmern in Deutschland, die mit dem Urlaubsgeschäft ihr Geld verdienen. "Die Kostenexplosionen bei der Energie führen immer mehr zu existenziellen Nöten im Gastgewerbe", lässt sich Patrick Rothkopf, Vorsitzender des Bundesausschusses für Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) in einer Pressemitteilung zitieren. Die Branche sei besonders hart von den steigenden Preisen für Strom, Heizöl und Gas betroffen. Darüber hinaus wachse bei Gastronomen und Hoteliers die Angst vor Versorgungslücken. "Ich erwarte, dass die Politik alles unternimmt, um die Belastungen für unsere Betriebe einzudämmen", so Rothkopf.
Zumindest verschonte die Bundesregierung die Branche bislang mit konkreten Sparvorgaben. Die Anfang September in Kraft getretene Energieeinsparverordnung sieht zwar für öffentliche Gebäude wie etwa Museen eine Höchsttemperatur von 19 Grad vor, Hotels und gastronomische Betriebe aber betrifft das nicht. Touristen können aufatmen. Vorerst. Auch gewerblich betriebene Schwimmbecken dürfen im Gegensatz zu privaten weiterhin mit Strom oder Gas beheizt werden. Bleibt lediglich die Verpflichtung zum Ausschalten der Außenbeleuchtung und der Leuchtreklame um 22 Uhr.
Die Auswirkungen der Energiekrise sind bereits jetzt im Tourismus nicht zu übersehen. So hat die Stadt Hamburg kurzerhand eine ihrer bedeutendsten Attraktionen stillgelegt: die Alsterfontäne wurde zwei Monate früher als üblich ausgeschaltet. Neuschwanstein leuchtet nachts nicht mehr, in Köln wird der Dom nicht mehr angestrahlt, auch das Reichstagsgebäude in Berlin bleibt dunkel. Die Stadtwerke Rostock wiederum sagten die diesjährige Lichtwoche ab, bei der sonst in der ganzen Stadt Lichtinstallationen zu sehen sind. Auch Vertreter der Skitourismusbranche in Österreich und in der Schweiz kündigten bereits an, dass das Angebot im kommenden Winter aufgrund von Energiesparmaßnahmen knapper ausfallen könnte.
Vorprogrammiert: Urlaub wird teurer werden
Auch mit steigenden Preisen müssen Urlauber weiterhin rechnen. So sieht man das zumindest beim Deutschen Tourismusverband. "Die Preissteigerung wird sich auch in den touristischen Angeboten und bei den Restaurantpreisen niederschlagen", sagt Huberta Sasse, Pressesprecherin des Branchenverbandes. Das sei auch gar nicht anders möglich, da die Betriebe kostendeckend arbeiten müssten. Es gehe darum, einen Mittelweg zu finden zwischen Preiserhöhungen und Einsparmaßnahmen. Es gebe durchaus einfache und schnell umsetzbare technische Möglichkeiten, beispielsweise zur Steuerung und Optimierung von Heizung und Warmwasser. Da der Energieverbrauch im Tourismus ein wichtiger Kostenfaktor ist, sei bereits in den vergangenen Jahren viel Geld im Bereich Energieeffizienz investiert worden.
Das bestätigt auch Tobias Warnecke, Geschäftsführer des Hotelverbandes Deutschland (IHA): "Die Hotels investieren in erheblichem Umfang in Energiesparmaßnahmen, gestalten ihre Betriebsabläufe noch effizienter, nehmen Preisanpassungen vor und optimieren ihr Angebot soweit möglich." Zu den gestiegenen Energiekosten kämen erschwerend auch noch die immer höheren Einkaufspreise bei Lebensmitteln sowie die durch den Mindestlohn und neue Tarifverträge wachsenden Personalkosten. Zum Teil sehen sich die Betriebe gezwungen, die Öffnungszeiten ihrer Restaurants zu reduzieren oder das Restaurant nur noch für Hausgäste zu öffnen. "Das komplette Schließen des Hotelrestaurants ist aber die absolute Ausnahme", so Warnecke.
Stresstest für Wellnessurlaub
Sparmaßnahmen werden besonders die Betriebe aus der Wellnessbranche ergreifen müssen, da diese ganz besonders unter der Energiekrise leiden. Viele Betreiber seien sehr verunsichert, sagt Lutz Hertel vom Deutschen Wellnessverband, zumal nun die Hauptsaison für die Wellnesswirtschaft bevorsteht. "Es ist ohne viel Fantasie mit einem Einbruch bei den Gästezahlen zu rechnen, was zwangsläufig in eine gefährliche wirtschaftliche Bedrängnis führt." Viele Unternehmer machten sich Gedanken über Möglichkeiten zur Reduzierung der Energiekosten, um nicht komplett zusperren zu müssen. Infrage kämen vor allem die zeitliche Begrenzung von Öffnungs- und Laufzeiten sowie geringere Temperaturen. "Aber wer geht schon in die Sauna ohne richtigen Hitzekick?", fragt Hertel. "Und wer will den halben Tag auf sein Wellnesserlebnis warten, das ihm womöglich auch noch nur als eng begrenztes Zeitfenster gewährt wird?"
Auch in Neuruppin spart man, wo es nur geht, beteuert Martin Wenzel. Die Außenbeleuchtung des Hotels wird um 22 Uhr ausgeschaltet, weitere "Feinjustierungen" sollen die Betriebskosten senken. Die Schaltzeiten der Saunen etwa werden optimiert, die Temperatur in einem der Außenpools um ein bis zwei Grad abgesenkt, ein weiterer wird als Kaltbecken weiterbetrieben. Schließungen von Teilen der Anlage aber will Wenzel auf jeden Fall vermeiden. Andernfalls drohe ein Buchungsrückgang. "Unsere größte Sorge ist, dass Thermen demnächst überhaupt nicht mehr betrieben werden dürfen", sagt er. Oder dass die Belieferung mit Fernwärme eingestellt wird. Zwar gibt es im Hotel schon seit Jahren eine Geothermie-Anlage, diese aber reicht nicht aus, um den gesamten Warmwasser-Bedarf zu decken.