Energiekonzerne ziehen sich aus Russland zurück
1. März 2022Der bislang größte Abzug eines westlichen Unternehmens aus Russland in Folge des Ukraine-Krieges ist der bereits am Sonntag angekündigte Ausstieg des britischen Ölkonzerns BP aus seiner rund 20 Prozent-Beteiligung am russischen Energiekonzern Rosneft. An diesem Konzern hält der russische Staat die Mehrheit. "BP hat mit Rosneft einen staatlichen Partner an Bord", sagte Analyst Sébastien Buch von Union Investment gegenüber DW. "Und der liefert ganz konkret auch den Treibstoff für die in der Ukraine eingesetzten Kriegsgeräte und Fahrzeuge." Deswegen sei der politische Druck nicht mehr tragbar gewesen für den Konzern.
Kostspielig - aber notwendig
In der Tat dürfte der angekündigte Verkauf der Rosneft-Anteile auch auf Druck der britischen Regierung zu Stande gekommen sein. Kostspielig ist er auf jeden Fall - das Unternehmen kalkuliert durch den Rückzug nun Abschreibungen in Höhe von 25 Milliarden Dollar ein, umgerechnet gut 22 Milliarden Euro. Am Montagabend hat dann mit Shell auch der zweite große Spieler Europas nachgezogen. Auch Shell will seine Anteile an allen Joint Ventures mit dem russischen Energie-Riesen Gazprom verkaufen und aus Nord Stream 2 aussteigen.
Allerdings haben diese Beteiligungen andere Dimensionen als bei BP. Sébastian Buch spricht hier von einer eher "kosmetischen" Operation. "Kosmetisch, weil das für Shell nicht so relevant ist. Da überwiegt der politische Druck, der auf der Aktie lastet, bei weitem den wirtschaftlichen Vorteil. Shell hat daher ganz richtigerweise gesagt, dass sie sich das nicht länger ans Bein binden wollen."
Andere Lage bei Total
Beim französischen Energiekonzern Total sei die Lage anders, so Buch. Denn Total kooperiere in Russland vor allem mit dem russischen Privatunternehmen Novatek. Zusammen fördern sie Gas an der arktischen Küste und verkaufen es in Form von LNG, also Flüssiggas. Das wiederum könnte für die europäische Energieversorgung in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen. Zurzeit sind es in erster Linie die USA, Katar und Australien, die LNG verschiffen. Da sie aber bereits unter Volllast produzieren, sei ein mittlerer Spieler wie diese Kooperation in Russland eine potenzielle Entlastung, auf die man in Zukunft vielleicht oder wahrscheinlich sogar zurückgreifen muss. "Wir können das LNG-Netz in Europa nur ausbauen, wenn wir den LNG-Markt vorher nicht völlig zerstören und aus dem Gleichgewicht bringen", so Sébastien Buch.
Dennoch teilte das Unternehmen am Dienstag mit, es wolle keine Gelder mehr in neue Projekte in Russland investieren. Man sei zudem engagiert, die ukrainischen Behörden mit Sprit zu versorgen. Die europäischen Sanktionen werde man umsetzen. Bezüglich seiner Beteiligung am russischen Gasförderer Novatek äußerte Total sich in der Mitteilung nicht.
Katalysator für Sanktionen
Am Wochenende hatten auch der norwegische Energiekonzern Equinor und der norwegische Staatsfonds ihren Rückzug aus Russland bekannt gegeben. Es handelt sich hier jeweils um Beteiligungen in Milliardenhöhe, von denen die Unternehmen sich nun trennen. "Die Sanktionen sind so lange nicht wirklich überzeugend, wenn sie nicht wehtun", sagte Martin Lück gegenüber DW. Lück ist der Chefvolkswirt für den deutschsprachigen Raum beim weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. "Gerade die Tatsache, dass diese Bereitschaft von den Unternehmen da ist, die macht die aktuellen Sanktionen deutlich erfolgreicher."
Dabei zeigten die Sanktionen bereits Wirkung und der Rückzug der Firmen aus Russland erhöhe den Druck zusätzlich. Zwar werde das die Machthaber im Kreml von ihrem aktuellen Kriegskurs in der Ukraine nicht abbringen. "Aber der Druck geht über den Umweg der russischen Bevölkerung," so Lück weiter. "Man merkt jetzt schon, dass die Sanktionen bei der Bevölkerung ankommen. Und das wird in den nächsten Tagen und Wochen deutlich spürbarer." So nähme der Druck auch auf Präsident Putin selbst zu. "Denn die Unterstützung für den Krieg ist in der Bevölkerung ohnehin nicht besonders groß ist. Diese Unterstützung wird weiter zurückgehen."
Zurückhaltung bei deutschen Energiekonzernen
Deutsche Konzerne schließlich halten sich bislang eher bedeckt, was ihre Russland-Engagements angeht. So heißt es auf Anfrage beim Energiekonzern Uniper mit seinem großen Russland-Geschäft, man wolle sich dazu nicht äußern. Russland ist einer der wichtigsten Märkte für Uniper, das Unternehmen liefert nach eigenen Angaben fünf Prozent des russischen Stroms, importiert Erdgas nach Europa und finanziert Nord Stream 2 mit.
Wintershall Dea, an der BASF die Mehrheit hält, hatte seine für vergangene Woche geplante Bilanzpressekonferenz abgesagt. Das ebenfalls an Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen sprach in einem Statement von einem "harten Schlag durch die Eskalation auf Anordnung der russischen Regierung". Das Unternehmen gilt als wichtigster deutscher Partner des russischen Staatskonzerns Gazprom. Das Russlandgeschäft steuerte 2021 knapp 20 Prozent des Konzerngewinns bei. Eon schließlich ist noch mit 15,5 Prozent an der älteren Pipeline Nord Stream 1 beteiligt und sieht keinen Grund, diese still zu legen. Ansonsten hat der Konzern seine Russlandaktivitäten fast vollständig im Zuge der Abspaltung von Uniper abgegeben.