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Ende der Party

Karl Zawadzky14. August 2008

Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im Frühjahr erstmals seit vier Jahren geschrumpft. Das Bruttoinlandsprodukt sank im Vergleich zum ersten Quartal um 0,5 Prozent. Keine Katastrophe, meint Karl Zawadzky.

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Eines ist nun endgültig klar: Der Höhepunkt im gegenwärtigen Konjunkturzyklus ist überschritten. Die Party mit hohen Wachstumsraten im Export sowie starken Investitionen im Inland ist vorbei. Dennoch ist als Reaktion auf die rückläufige Wirtschaftsleistung eine allgemeine Erleichterung spürbar. Denn in der Tat: Es hätte schlimmer kommen können. Der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 0,5 Prozent wirft die deutsche Wirtschaft nicht um.

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Karl ZawadzkyBild: DW

Es wäre ja höchst verwunderlich, würden die großen Volkswirtschaften all die negativen Faktoren einfach wegstecken, die in letzter Zeit die Weltwirtschaft in Turbulenzen gestürzt haben. In Amerika ist ein absolut unseriös finanzierter Immobilienboom geplatzt, was in den USA und in Europa eine Finanz- und Bankenkrise ausgelöst hat. Auch in Großbritannien und Spanien, zwei großen EU-Ländern, ist der Immobilienboom vorbei. Der Dollar ist in die Knie gegangen, der Höhenflug des Euros hat die europäischen Exporte belastet. Der Ölpreis ist auf ein Niveau gestiegen, das vor gar nicht langer Zeit unvorstellbar war. Die Lebensmittelpreise haben sich enorm verteuert. Am Ende ist die Inflationsrate in der Euro-Zone aus dem Ruder gelaufen, worauf die Europäische Zentralbank mit einer Zinssteigerung reagiert hat.

Die Stimmung ist umgeschlagen

Dies alles hat auch in Deutschland das Wirtschaftswachstum gebremst. Innerhalb kurzer Zeit ist die Stimmung sowohl in den Unternehmen als auch bei den Verbrauchern umgeschlagen. Wo zuvor von einem noch lang anhaltenden Aufschwung die Rede war, wird jetzt über das Gespenst einer Stagnation oder gar einer Rezession gepaart mit einem anhaltend starken Preisauftrieb diskutiert. Die Fakten sprechen dagegen. Das Wetter ist eine der Hauptursachen für den Einbruch der Wirtschaftsleistung. Ob es am Klimawandel lag oder nicht, Tatsache ist, dass der letzte Winter praktisch ausgefallen ist. Hinzu kam das Auslaufen von Steuervorteilen für die Bauwirtschaft. Beides zusammen hat dazu geführt, dass Anfang dieses Jahres nicht, wie sonst üblich, Baustellen wegen Schnee und Eis geschlossen wurden, sondern die Wirtschaft im ersten Quartal mit 1,5 Prozent so stark wuchs wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Dieser Wachstumsschub fehlte im Frühjahr.

Das heißt: Die Einbuße an Wirtschaftsleistung hat zum Teil mit einem statistischen Effekt zu tun. Werden die beiden ersten Quartale dieses Jahres jeweils für sich betrachtet, dann wird ein geradezu dramatischer Absturz sichtbar. Wird das erste Halbjahr insgesamt in Augenschein genommen, dann ergibt sich ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Das ist angesichts der negativen Faktoren, die zu verkraften sind, durchaus beachtlich. Dabei ist eines klar: Wenn die Weltwirtschaft mit schweren Turbulenzen wie dem hohen Ölpreis, der Finanzmarktkrise und erheblichen Währungsschwankungen zu kämpfen hat, wird das die deutsche Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen. Denn die deutsche Wirtschaft ist wie keine andere große Volkswirtschaft vom Außenhandel abhängig; mit 46 Prozent wird fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung im Export erzielt. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil erst bei 27 Prozent.

Die Wirtschaft wird insgesamt wachsen

Die aktuelle Wachstumsdelle sieht schlimmer aus als sie tatsächlich ist. Sie wird nichts daran ändern, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr zunimmt. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos geht unverändert von einem Zuwachs um 1,7 Prozent aus. Das aber ist ein Prozentpunkt weniger als im vergangenen Jahr; für das kommende Jahr wird eine weitere Abschwächung der Konjunktur erwartet. Nicht die Delle im zweiten Quartal, sondern der Abwärtstrend macht Sorgen, denn er ist gepaart mit einem starken Preisanstieg, was die aus konjunkturellen Gründen wünschenswerten Leitzinssenkungen der Europäischen Zentralbank verhindert. Noch ist die Entwicklung am Arbeitsmarkt positiv, doch bei einem sich weiter abschwächenden Wachstum wird sich das ändern, werden also die Arbeitslosenzahlen wieder steigen. Die Eintrübung der Stimmung hat ihren Grund: Die Party ist vorbei, die Übertreibungen aus der Boomphase werden korrigiert. Für viele ist das wie im richtigen Leben mit einem Kater verbunden.