Stopp der Kleinstaaterei gefordert
25. März 2012Wie soll ein Staat aufgebaut sein, damit er gut funktioniert? Diese Frage beschäftigt besonders die Menschen in Ländern, die nach einer Revolution eine neue Staatsstruktur mit hoher Akzeptanz suchen. Als Vorbild wird im Ausland immer wieder das föderale System, also die Aufteilung in Bundesländer, in Deutschland genannt. Die Bewunderung für dieses System belegt eine entsprechende Studie der Bertelsmann-Stiftung.
In Deutschland selbst allerdings, so führt die Studie aus dem Jahr 2009 aus, findet der Föderalismus immer mehr Kritiker, die sich fragen, ob das System nicht überholt ist. Für die Kritiker sind 16 Bundesländer mit 16 Landesparlamenten, 16 Landesregierungen mit dutzenden Ministern, unzähligen Landesbehörden mit tausenden Beamten eine nicht mehr bezahlbare Kleinstaaterei.
Das System scheint am Ende
Das kleine Bundesland Saarland beispielsweise macht die Belastung deutlich: Nach der Statistik ist hier jeder der rund eine Million Einwohner mit 12.000 Euro verschuldet. Das ist eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen in Deutschland. Nur in Berlin, einem weiteren kleinen Bundesland, sieht es noch schlimmer aus. Auch die neue Landesregierung, die am Sonntag (25.03.2012) gewählt wird, muss in diesem Jahr Kredite in Höhe von rund 630 Millionen Euro aufnehmen, um alle Staatsaufgaben bewältigen zu können. Zum Vergleich: Nur die Hälfte dieser Neuverschuldung kann für Investitionen ausgegeben werden. Mit dem Rest werden bereits aufgelaufene Schulden abbezahlt.
Um diese Situation etwas zu lindern, gibt es seit Jahrzehnten in Deutschland die Regelung, dass arme Bundesländer von den reicheren Ländern wie Bayern und Baden-Würtemberg Geld erhalten. Dieser so genannte Länderfinanzausgleich ist jedoch hoch umstritten, weil die Ursache für fehlende Finanzkraft nicht gelöst, sondern schlicht Geld hin und hergeschoben wird. Dann könne man doch gleich die ärmeren Bundesländer mit den ertragsstärkeren Ländern zusammenlegen, lautet ein Vorschlag, der unter Politikern seit Jahrzehnten diskutiert wird und jetzt neu aufgenommen werden soll.
Starke Argumente für Veränderungen
Eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus allen großen Parteien arbeitet an einem erneuten Vorstoß, die Anzahl der Bundesländer von derzeit 16 im Idealfall auf acht zu reduzieren. Einer der Politiker ist Garrelt Duin, wirtschaftspolitischer Sprecher der Sozialdemokratischen Partei (SPD) im deutschen Bundestag. "Wenn Bundesländer fusionieren und es danach nur noch eine reduzierte Verwaltung gibt, können Milliarden Steuergelder eingespart werden", ist Duin überzeugt. Der Angst, dass weniger Verwaltung auch weniger Arbeitsplätze bedeutet, tritt Duin entgegen. "Wir werden aufgrund der immer älter werdenden Beamten künftig ohnehin viel Personal durch Ruhestand verlieren und danach eher ein Bewerber-Problem haben."
Wenn man die Anzahl der Bundesländer verringerte, gäbe es noch weitere Vorteile, sagt Garrelt Duin und verweist auf die Bildungspolitik. Die wird noch in jedem der 16 Bundesländer von einem eigenen Bildungsministerium verantwortet. Die Folge: Die Schulabschlüsse haben oft ein sehr unterschiedliches Niveau und werden deshalb beim Umzug in ein anderes Bundesland nicht immer anerkannt. "Das zeigt den Widersinn der vielen Bundesländer", meinen Garrelt Duin und seine Mitstreiter.
Ein Angriff auf die Demokratie?
Zu den Kritikern einer Reduzierung der Bundesländer gehört unter anderem Reinhold Schnabel, Professor für Finanzwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. "Alle bisherigen Versuche der Zusammenlegung von Behörden haben gezeigt, dass doch Doppelstrukturen entstehen und sich die Kosten auch noch erhöhen." Tatsächlich wird eine bestimmte Größe von Verwaltung immer benötigt. Die Anzahl der Menschen verringert sich ja nicht mit der Zusammenlegung von Bundesländern. "Glauben Sie denn, dass in Zeiten von Rufen nach mehr politischer Transparenz und dem Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung in der Politik eine Zentralisierung von Staatsaufgaben hilfreich ist?", fragt Professor Schnabel. Die vielen Bundesländer seien schließlich Ausdruck regionaler Identität und der Preis für eine lebendige Demokratie.
Verfassung schreibt Bundesländer vor
An der Aufgabe, die Anzahl der Bundesländer zu reduzieren, scheiterten bereits zwei Arbeitsgruppen von Politikern, weil das Bemühen als Angriff auf die Demokratie angesehen wurde. Viele Staatsrechtler verweisen auf den Artikel 79 im deutschen Grundgesetz. Danach gilt für die Bundesrepublik die föderale Struktur, also die Aufteilung in Bundesländer, als unantastbar. Juristen sprechen von einer "Ewigkeitsklausel". Nur eine bestimmte Anzahl von Bundesländern ist nicht vorgeschrieben.
Es gibt allerdings einen Artikel im Grundgesetz, der die Neugliederung von Bundesländern nach bestimmten Regeln erlaubt. Zu den Bedingungen für eine Reduzierung der Bundesländer ist eine Volksabstimmung in den betreffenden Ländern zwingend vorgeschrieben. Das hat in der Geschichte der Bundesrepublik aber nur einmal funktioniert. Die Zusammenführung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu einem Bundesland Baden-Württemberg gelang. Das war allerdings 1952. Als 1996 Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland vereint werden sollten, scheiterte die Abstimmung in der Bevölkerung. Die Brandenburger wollten einfach nicht von den Berlinern mitregiert werden.