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Ende der Geduld mit Al-Baschir

Philipp Sandner27. September 2013

Erst ging es um steigende Spritpreise. Nun fordern Demonstranten im Sudan den Rücktritt der Regierung. Die reagiert mit Tränengas und Repression. Mit einem Ausfall des Internets will sie nichts zu tun haben.

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Muslimische Demonstranten singen Protestlieder am 27.09.2013 in Khartum, Sudan (Foto: AP Photo/Khalil Hamra).
Bild: picture alliance/AP Photo

Sie lassen sich nicht einschüchtern: Trotz massiven Vorgehens der Sicherheitskräfte mit Dutzenden Toten ziehen auch am Freitag rund 4000 Demonstranten durch Sudans Hauptstadt Khartum. "Freiheit, Freiheit", skandieren sie und fordern den Rücktritt von Präsident Omar Al-Baschir. Die Polizei reagiert mit Tränengas, schwere Militärgeschütze stehen bereit. Auch in Wad Malid, rund 130 Kilometer südöstlich der Hauptstadt, und anderen größeren Städten kommt es nach den muslimischen Freitagsgebeten zu Protesten. "Es herrscht eine große Wut über den Tod von Demonstranten in den letzten Tagen", sagt Osman Hummaida von der Nichtregierungsorganisation "Afrikanisches Zentrum für Gerechtigkeits- und Friedensstudien" (ACJPS), die für Menschenrechte und Gesetzesreformen im Sudan eintritt.

Streit um Zahlen

Seit Tagen sind die Menschen auf der Straße. Sie wollen nicht akzeptieren, dass der Sudan die Subventionen auf Benzin streicht - eine Entscheidung, die Präsident Al-Baschir am Wochenende bekannt gegeben hatte. Seitdem haben sich die Spritpreise fast verdoppelt. Doch aus den Benzin-Protesten wurde eine Revolte gegen das Regime und sein gewaltsames Vorgehen. Von mindestens 50 Toten und 100 Verletzten gehen ACJPS und die Menschenrechtsorganisation Amnesty International gesichert aus, die Schätzungen von Augenzeugen liegen sogar im dreistelligen Bereich.

Sudans Informationsminister Ahmed Belal Osman hält die Medienberichte für überzogen und bezeichnet sie schlicht als "falsch". Selbst die Angabe der staatlichen Nachrichtenagentur SUNA, die Donnerstagabend von 29 Toten ausgeht, weist er zurück. "Die exakte Zahl ist 13", teilt er der Deutschen Welle am Freitagnachmittag mit. Fünf Tote auf Regierungsseite, acht auf Seiten der Demonstranten, behauptet der Minister. "Tatsächlich handelt es sich nicht um Demonstrationen - hier haben wir es mit Plünderei, Brandstiftung und Gewalt gegen Unschuldige zu tun." Eine Position, die Menschenrechtler Hummaida nicht teilt. Zwar hätten Demonstranten auch Regierungsgebäude in Brand gesteckt, doch seien dies Einzelfälle. Und Tote habe es nicht dort gegeben, sondern unter friedlichen Protestierenden. Zum Teil in den Rücken geschossen, auf der Flucht. Das sei vorsätzliche Tötung, so Hummaida.

Sudans Präsident Omar Al-Bashir hebt beide Hände vor Mikrofonen der Presse am 22.09.2013 in Khartum (Foto: ASHRAF SHAZLY/AFP/Getty Images).
Sudans Präsident Omar al-Bashir am Sonntag (22.09.2013) vor der PresseBild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

Ein Staatschef in Bedrängnis

Die Sympathien für den alternden Präsidenten Al-Baschir schwinden stündlich - die Menschenmengen auf Sudans Straßen sind der beste Beweis dafür. Den Wegfall der Subventionen rechtfertigte der Staatschef mit der schlechten Wirtschaftslage. In der Tat stehe es um das Land nicht gut, sagt Florian Dähne aus dem Büro der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum. "Mit der Unabhängigkeit des Südsudan im Jahr 2011 fielen große Teile der Öleinnahmen weg", erklärt er der Deutschen Welle. "Drei Viertel der ehemaligen sudanesischen Ölreserven befinden sich nun in südsudanesischem Boden." Die kleinen Einnahmen, die das Land mit dem Transport des Öls aus dem Nachbarland verbuche, könnten das nicht wettmachen - und andere bitter benötige Einnahmequellen für die Wirtschaft seien ausgeblieben.

Eigentlich hatte Al-Baschir gerade eine Reise nach New York geplant, um vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen. Diese Reise habe er nun abgesagt, meldete die Nachrichtenagentur Reuters in Berufung auf einen Mitarbeiter der Staatengemeinschaft. Die aktuellen Proteste könnten der Grund dafür sein. "Es wäre sicher im Sinne des Präsidenten, wenn er das Land im Moment nicht verlassen würde", sagt Florian Dähne. Al-Baschirs Entscheidung, nach New York zu reisen, hatte für einige Überraschung gesorgt - seit 2009 ist er wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Darfur-Konflikt international gesucht. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hatte die USA gebeten, Al-Baschir im Falle seiner Einreise nach Den Haag auszuliefern.

Karte von Sudan und Südsudan mit der umstrittenen Region Abyei (Grafik: DW)
Mit dem Gebiet des Südsudan verlor der Sudan 2011 einen großen Teil seiner Ölreserven

Sudanesischer Frühling?

Noch weiß Al-Baschir seine Armee hinter sich. Dass die Proteste einen Sturz des Präsidenten herbeiführen könnten, hält Dähnel in näherer Zukunft für unwahrscheinlich. Dafür seien die Zahlen der Protestierenden noch zu klein. "Dennoch sind sie eine ernsthafte Bedrohung. Das ist ein ganz schöner Druck für ein Regime, das bereits mit diversen politischen und ökonomischen Problemen kämpft." Es gibt deutliche Parallelen zu den Protesten des "Arabischen Frühlings", die ab 2011 einen Regierungswechsel in mehreren nordafrikanischen Ländern herbeiführten. In Ägypten versuchte das Regime, den Aufständischen mit Zensur zu begegnen, und legte zeitweise das Internet lahm. Am Mittwoch (25.09.2013) kam es auch im Sudan zu einem Ausfall des Internets, der 24 Stunden andauerte. Eine technische Störung, beteuert Informationsminister Ahmed Belal Osman. Und schiebt nach: "Demonstrationen sind das gute Recht der Menschen. Wenn sie friedlich sind, werden wir nicht eingreifen." Eine zweifelhafte Aussage nach den vielen Opfern der jüngsten Protestwelle.

Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften am 28. Januar 2011 in Kairo, Ägypten (Foto:Ben Curtis, File/AP/dapd).
Hohe Preise waren auch ein Grund für die Aufstände in Ägypten 2011Bild: dapd