EM 2024: Demiral feiert Türkei-Sieg mit Wolfsgruß
3. Juli 2024Auf dem Platz war Merih Demiral überall zu finden. Bereits nach 57 Sekunden erzielte er das 1:0 für die Türkei im EM-Achtelfinale gegen Österreich - das früheste Tor der EM-Geschichte in einem KO-Spiel. Danach organisierte der 26 Jahre alte schlaksige Verteidiger die türkische Abwehr, grätschte Bälle aus der Gefahrenzone und köpfte nach einer Ecke per Kopf sogar zum zweiten Mal ins Tor.
Doch unmittelbar nach dem viel umjubelten Schlusspfiff und dem 2:1-Erfolg der Türkei gegen Österreich stand nicht Demirals Leistung im Vordergrund, sondern vielmehr eine politische Geste.
Demiral postete Jubel auch auf der Plattform X
Denn nach seinem zweiten Treffer formte der von der Europäischen Fußball-Union (UEFA) zum "Spieler des Spiels" gekürte Demiral mit beiden Händen den sogenannten Wolfsgruß - ein Handzeichen und Symbol der rechtsextremistischen Grauen Wölfe.
Demiral postete ein Foto dieser Szene nach dem Spiel auch auf seinem persönlichen Profil auf der Plattform X, früher Twitter.
Als "Graue Wölfe" werden die Anhänger der rechtsextremistischen "Ülkücü-Bewegung" bezeichnet, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In der Türkei ist die ultranationalistische MHP ihre politische Vertretung und Bündnispartnerin der islamisch-konservativen AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan.
In Deutschland sind weder die Organisation noch das Zeigen des Wolfgrußes strafbar, in Österreich hingegen schon. Dort ist das Handzeichen der Grauen Wölfe seit 2019 verboten.
Unabhängig davon hat die UEFA die politische Geste als “unangemessen” eingestuft und sanktioniert, wie sie dies bei diesem EM-Turnier in anderen Fällen bereits getan hat. So wurde Albaniens Stürmer Mirlind Daku wegen nationalistischer Gesänge für zwei Spiele gesperrt. Gleiches widerfährt nun auch Demiral. Der türkische Nationalspieler ist von der UEFA für das Zeigen des Wolfsgrußes für zwei Spiele gesperrt worden.
Demiral: "Bin stolz darauf, Türke zu sein."
"Wie ich gefeiert habe, hat etwas mit meiner türkischen Identität zu tun", sagte Demiral nach dem Spiel im Leipziger EM-Stadion. "Deswegen habe ich diese Geste gemacht. Ich habe Leute im Stadion gesehen, die diese Geste auch gemacht haben." Es stecke "keine versteckte Botschaft" dahinter. “Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste”, fügte Demiral hinzu.
"Ich wollte einfach nur demonstrieren, wie sehr ich mich freue und wie stolz ich bin." Es werde hoffentlich noch mehr Gelegenheiten geben, diese Geste zu zeigen, ergänzte der 26-Jährige.
Laut Experten nutzen die Grauen Wölfe vermehrt auch die sportliche Bühne, um unter Fußball-Fans zu rekrutieren und im Stadion ihre Symbolik zu etablieren. Auch auf EM-Feiern türkischer Fans in deutschen Städten wurde das Handzeichen gesichtet.
Der graue Wolf ist für türkische Rechtsextremisten eine wichtige Figur. Laut Gründungsmythologie hat ein grauer Wolf die Vorfahren der türkischen Völker vor Feinden gerettet und ihnen zu großer Macht verholfen. Daher ist der Wolf für viele auch ein Machtsymbol. Der bekannte Wolfsgruß wird von diesem Mythos abgeleitet.
Diplomatische Verstimmung
Der Vorfall in Leipzig sorgte für eine diplomatische Verstimmung zwischen der Türkei und Deutschland. "Die Symbole türkischer Rechtsextremisten haben in unseren Stadien nichts zu suchen", schrieb Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf der Plattform X. Die EM "als Plattform für Rassismus" zu nutzen, sei "völlig inakzeptabel".
Darauf konterte das türkische Außenministerium: "Die Reaktionen der deutschen Behörden auf Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich." Es handle sich bei dem Wolfsgruß um ein "historisches und kulturelles Symbol". Die Regierung in Ankara bestellte den deutschen Botschafter ein.
Özil mit Tätowierung der Grauen Wölfe
Vor gut einem Jahr sorgte Mesut Özil in einem ähnlichen Fall für Aufsehen. Ein Foto auf Instagram zeigte den früheren deutschen Nationalspieler und Weltmeister von 2014 mit drei Halbmonden und einem heulenden Wolf als Tätowierung auf der eigenen Brust. Dies sind ebenfalls Symbole der Grauen Wölfe.
Der Kapitän der türkischen Nationalmannschaft Hakan Calhanoglu, der gegen Österreich gelbgesperrt zuschauen musste, lobte nach dem Spiel im Gespräch mit Journalisten seinen Mitspieler Demiral und versuchte den sportlichen Wert hervorzuheben. "Ich bin happy für ihn, weil er oft von vielen Seiten kritisiert wird. Die zwei Tore haben uns sehr geholfen. Aber er hat auch stark verteidigt und alles abgeblockt."
Doch nach der Sperre der UEFA wird Demiral seiner Mannschaft erstmal nicht mehr helfen können Der Verteidiger verpasst das Viertelfinale am Samstag gegen die Niederlande in Berlin. Sollte sich die Türkei durchsetzen, müsste der 26-Jährige l auch noch im Halbfinale zuschauen.
Der Artikel wurde nach der Sperre Demirals seitens der UEFA am 5. Juli aktualisiert.