1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Ein Angriff auf die kollektive Erinnerung"

Jane Ayeko-Kümmeth
17. August 2017

Ein Ex-Dschihadist wird zu Schadensersatz für die Zerstörung von Weltkulturerbe verurteilt - Schadensersatz, den er nie bezahlen können wird. Mark Ellis vom Internationalen Anwaltsverband begrüßt das Urteil.

https://p.dw.com/p/2iQwu
Mali Timbuktu Zerstörtes Mausoleum Alfa Moya
Bild: Getty Images/AFP/E. Feferberg

DW: Fünf Jahre nach der Zerstörung jahrhundertealter Kulturgüter in Timbuktu soll der malische Ex-Dschihadist Ahmad Al Faqi Al Mahdi Reparationszahlungen an die Opfer leisten. Ist es üblich, dass der Internationalen Gerichtshof in Den Haag Täter zu solchen Zahlungen verurteilt, auch wenn sie nicht bezahlen können?

Mark Ellis: Es ist das zweite Mal, dass der Internationale Gerichtshof eine solche Entscheidung getroffen hat. Es ist eine richtungsweisende Entscheidung, obwohl es natürlich überhaupt keine Möglichkeit dafür gibt, dass der Beschuldigte auch nur einen Teil der Reparationszahlungen leisten kann. Es geht darum, dass die Opfer der Zerstörung von Kulturerbe eine Entschädigung bekommen. Dafür wurde ein Treuhandfonds geschaffen. Ich gehe davon aus, dass es nun eine kollektive symbolische Reparationszahlung geben wird.

Das Gericht hat entschieden, dass der Treuhandfonds für die Opfer selbst entscheiden soll, wie die Reparationszahlung geleistet wird. Können Sie den Ablauf erklären?

Ich denke, auch das ist eine wichtige Entscheidung, denn der Treuhandfonds hat betont, dass es angesichts der Sicherheitslage im Norden von Mali sehr schwierig wird, die Entschädigungsgelder vor Ort zu verteilen. Die Entscheidung ermöglicht es dem Fonds, selbst zu entscheiden, wie die Entschädigung geleistet wird.

Während des Gerichtsverfahrens zeigte der Angeklagte Reue und bedauerte seine Taten. Können solche Leute sich bessern?

Anscheinend war das Gericht der Ansicht, dass Al Mahdi seine Taten bereut, und das spielte bei der Verurteilung eine große Rolle. Er bat um Vergebung und kooperierte mit dem Gericht. Ich denke, die Reue war glaubhaft. Jetzt geht der Täter für neun Jahre ins Gefängnis.

Werden die Bürger von Timbuktu dieses Urteil als gerecht empfinden?

Dr. Mark Ellis
Mark Ellis, International Bar AssociationBild: privat

Ich beschäftige mich schon sehr lange mit der internationalen Justiz, und dennoch ist es schwierig, aus der Ferne zu beurteilen, ob die Opfer ein Urteil kollektiv als gerecht empfinden oder nicht. Ich vermute, dass viele es aus verschiedenen Gründen nicht gerecht finden, und ich kann sie gut verstehen. Ich bin mir nicht sicher, ob es jemals ein Urteil geben könnte, das die Opfer solcher Grausamkeiten als gerecht empfinden. Die Zerstörung kulturellen Erbes ist ein Angriff auf die kollektive Erinnerung. Es ist eine ethnische Säuberung. Es ist die Absicht, die Identität von Menschen auszulöschen, und es ist sehr schwierig, Gerechtigkeit walten zu lassen für jene, die erleben mussten, wie Kulturerbe zerstört wird. Ich hoffe, die Opfer empfinden das Urteil als gerecht; aber wenn sie es nicht tun, ist das nicht überraschend.

Mark Ellis ist geschäftsführender Direktor der Internationalen Vereinigung von Anwälten, Anwaltskammern und -verbänden, der International Bar Association (IBA).

Das Interview führte Jane Ayeko-Kümmeth.