Elaiza kam, sang und siegte
14. März 2014"Ich glaube, es ist ein Traum", stotterte Akkordeonistin Yvonne Grünewald. "Und ich rufe jetzt als allererstes Mama an", zitterte Frontfrau Elzbieta Steinmetz. Kontrabassistin Natalie Plöger verschlug es gar ganz die Sprache. Die drei Mädels konnten ihr Glück kaum fassen, gegen den großen Grafen gewonnen zu haben und hielten die Freudentränen nur mühsam zurück.
Acht Kandidaten kämpften am Donnerstagabend in der Kölner Lanxess-Arena um das Ticket nach Dänemark. "Wir haben uns bei einer Schnapsverkostung kennengelernt", hatte das Damen-Trio Elaiza vor seinem Auftritt gutgelaunt verkündet. "Und jetzt geben wir alles, dass ganz Europa vorm Brandenburger Tor abtanzen kann."
Mit Akkordeon, Kontrabass und der Stimme der ukrainisch-polnisch-stämmigen Elzbieta Steinmetz zauberten die Wahlberlinerinnen einen mitreißenden Sound auf die Bühne, der beim Publikum mit stehenden Ovationen gefeiert wurde. Die drei jungen Musikerinnen hatten an einem Wettbewerb bei Youtube teilgenommen und das anschließende Finale gewonnen. In Köln sangen sie im ersten Durchlauf "Is it right" und dann, verstärkt mit Tuba und Schlagzeug, wussten sie auch mit "Fight against myself" zu überzeugen. In ihrer frischen Natürlichkeit erinnerten die sympathischen Mädels mit spitzen Schreien und strahlenden Gesichtern ein bisschen an Lena. Überschwänglich bedankten sie sich, ins Halbfinale gewählt worden zu sein - jetzt steht ihnen mit dem Siegersong "Is it right" sogar der Weg in den ESC-Olymp offen.
Poesie, Soul und ein paar "Teardrops"
Spätestens seit Lena 2010 die ESC-Krone nach Deutschland holte, ist der Eurovision Song Contest in Deutschland wieder massentauglich geworden. Die Karten für den Vorentscheid waren ruckzuck ausverkauft, 6500 Zuschauern fieberten mit ihren Stars mit.
Zur Einstimmung gab Emmelie de Forest, Vorjahresgewinnerin aus Malmö, ihren Siegertitel "Only Teardrops" zum Besten und sorgte schon mal für das richtige ESC-Feeling. Eine "Mischung aus Christoper Street Day und Katholischem Weltjugendtag" versprach Moderatorin Barbara Schöneberger launig dem Publikum und holte als ersten Kandidaten den Poeten unter den Teilnehmern auf die Bühne, "Das Gezeichnete Ich".
Hinter dem von Gottfried Benn ausgeborgten Pseudonym verbirgt sich ein Berliner Sänger der leisen pathetischen Töne auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Seine für den Wettbewerb vorbereiteten Lieder "Weil Du da bist" und "Echo" stammen von seinem eben erschienenen zweiten Album und kommen vor allem bei sensiblen Frauenherzen gut an. Offenbar zu sensibel für das ESC-Publikum, denn er schied schon in der ersten Runde aus. "Echo" konnte er gar nicht mehr zu Gehör bringen.
Auch mit der Hamburgerin Oceana trat in Köln keine Unbekannte an; mit Endless Summer" hatte sie den offiziellen Song für die Fußball-EM 2012 gesungen und dafür in Deutschland ihre erste Goldene Schallplatte erhalten. Soulig und kraftvoll sang sie ihr "Thank you", fürs Finale reichte es allerdings nicht.
Shanty-Nordlichter versus Harfensound
Neben Unheilig kämpften in der Favoritenrolle die überaus populären Flensburger Shantyrocker Santiano, deren Gute-Laune-Musik die Stimmung irischer Pubs heraufbeschwor und die sich zur optischen Verstärkung eine Art Wikingerboot auf die Bühne geholt hatten - passend zum Song: "Fiddler on the deck". Die fünf gestandenen Nordlichter von der Waterkant, zwischen 40 und 60 Jahren alt, sind eine der erfolgreichsten Bands der letzten Jahre und sangen sich souverän unter die letzten vier. Als zweites Lied schmetterten sie in bewährter Manier und auf Deutsch "Wir werden niemals untergehen". Da gehe es um Verantwortung füreinander, erklärten sie den Titel.
Mit knallroter Punk-Frisur und flippigem Outfit präsentierte die Augsburgerin MarieMarie Harfespiel mal ganz anders. Als Instrumentalistin hat sie schon für die Ärzte und Helene Fischer gespielt; doch nach Dänemark wollte sie mit dem Folktronic-Sound ihres Albums "Dream Machine". Poppig, fröhlich und gut gelaunt kamen ihr "Cotton Candy Hurricane" und im Halbfinale ihr "Candy Jar" daher.
Elvis-Revival und Schwarzwald-Pop
Elvis muss weiterleben, müssen sich The Baseballs gedacht haben, als sie sich im 21. Jahrhundert mit entsprechenden Klamotten und Haartollen stylten und den Rock'n Roll der 50er Jahre wiederbelebten. Mit "Mo Hotta Mo Betta" konnten sie das Ticket allerdings nicht lösen, zu groß und vor allem viel individueller war die Konkurrenz.
Auch das 18-jährige Schwarzwald-Popmädel Madeline Juno hatte es trotz anrührenden Vortrags schwer, beim Publikum zu punkten, obwohl viele Kinogänger ihr Lied schon gehört haben: "Like Lovers Do" ist auf dem Soundtrack des Kinofilms "Pompeji" verewigt. Doch die Geheimfavoritin ging am Ende leer aus.
Nur zweiter Platz für den Grafen
Der Graf, mit Abstand der bekannteste Künstler im Kandidatenrennen, feiert 2014 mit seiner Band Unheilig 15-jähriges Bestehen. Mit seinen düster-melancholischen Songs räumte er schon einen Preis nach dem anderen ab. Er trat mit "Als wär's das erste Mal" und mit der Premiere "Wir sind alle wie eins" an: einer Ode, so der Graf, an das große Ganze - egal woher man kommt und welche Hautfarbe man hat". Im packenden Finale unterlag er den charmanten Elaiza-Mädels knapp.
Dabei hatte er so gehofft, Deutschland am 10. Mai in Kopenhagen würdig vertreten zu dürfen. Nach eigenen Angaben hat er schon als Kind gebannt mit seiner Familie und den obligatorischen Käseigel-Häppchen vor dem Fernseher gesessen, wenn der ESC über die Mattscheibe flimmerte - der da übrigens noch Grand Prix Eurovision de la Chanson hieß. Schon damals wollte er dabei sein: "Ich träumte von der großen Bühne, von den Fahnen für Europa und davon, das eigene Land als musikalischer Repräsentant zu vertreten." Trotzdem hat er schon zweimal ein entsprechendes Angebot abgelehnt, weil er nicht auf Englisch singen wollte. "Ich möchte für Deutschland in meiner Muttersprache singen", lautete sein Credo. Allerdings holte er sich vor der Bewerbung erst grünes Licht bei seinen Fans - und die stimmten mit fast 95 Prozent für die Teilnahme am Vorentscheid. Immerhin Platz 2 - wenn der Graf auch nach Höherem strebte.
Und weil die Experten-Jury im vergangenen Jahr mit ihrem Urteil daneben lag und statt des Publikumsfavoriten LaBrassBanda die Rheinländerin Cascada nach Malmö schickte - die wenig "Glorious" auf dem 21. Platz landete -, durfte diesmal ausschließlich das Publikum in der Halle und am Bildschirm abstimmen. Eurovision-Chef Jan Ola Sand forderte die Zuschauer in der Pause auf: "Wählt, was Euch anspricht. Seid mutig." Den Aufruf müssen sie sich zu Herzen genommen haben: Die Berliner Gören Elaiza passen ganz wunderbar in die bunte schillernde ESC-Welt.