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El Sistani: Geistlicher mit Macht

Peter Philipp29. August 2004

Seitdem Großajatollah el Sistani in den Irak zurückgekehrt ist, liegen die Hoffnungen auf dem hohen Geistlichen. Er kam mit tausenden von Pilgern nach Nadschaf um für Frieden zu sorgen. Wer ist dieser Mann?

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Marsch auf Nadschaf: El Sistani will den Irakern Frieden bringenBild: dpa

Nur äußerlich mag der 74-jährige Großajatollah Ali el Sistani Erinnerungen an den iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khomenei wachrufen. Sonst verbindet die beiden kaum etwas miteinander. Außer, dass auch El Sistani aus dem Iran stammt. Er wurde 1930 im ost-iranischen Mahhad geboren, wo Reza begraben ist, der achte der zwölf von den Schiiten verehrten Imame.

Der Sohn bekannter Religionsgelehrter studierte zunächst in der iranisch-schiitischen Hochburg Qom und zog dann ins irakische Nadschaf. Dort hatte sich um das Grab des ersten Imam und Begründers des Schiitentums, Ali, eine zentrale Versammlung von Gelehrten niedergelassen. El Sistani gehörte zu den Schülern des damaligen Großajatollahs Khoei und wurde von diesem in den Kreis der "Mardscha" berufen - der Religionsgelehrten.

Keine Islamische Republik

Schiiten in Irak
Schiiten im Irak: El Sistani befürwortet die Trennung zwischen Religion und StaatBild: AP

Im Gegensatz zu Khomenei war El Sistani immer schon für eine Trennung von Religion und Staat. Zwischen beiden kam es über diese Frage zu einigen Auseinandersetzungen, weil Khomenei das Prinzip der "Velayateh Faqih" einführte - das der "Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten". El Sistani fordert deswegen auch nicht die Einführung einer Islamischen Republik nach iranischem Vorbild. Dieses Modell sei für den Irak nicht wünschenswert.

Sistani ist heute der mit Abstand prominenteste von vier Groß-Ajatollahs. Sein Wort gilt viel unter den Schiiten des Irak, die mit über 60 Prozent die Mehrheit der rund 25 Millionen Einwohner stellen. Unter der Herrschaft Saddam Husseins geriet El Sistani zwar immer wieder unter Druck und wurde unter anderem auch unter Hausarrest gestellt. Es gelang ihm aber, diese Zeit unbeschadet zu überstehen, während andere schiitische Religionsgelehrte verfolgt und umgebracht wurden - darunter auch der Vater und der Großvater von Moqtada el Sadr.

Kein Instrument der USA

Nach dem Sturz des Saddam-Regimes glaubten die USA zunächst, sich des mäßigenden Einflusses von El Sistani bedienen zu können. Der aber sprach sich zwar gegen Gewalt aus, war jedoch nicht bereit, ein Besatzungsregime im Irak zu akzeptieren. Und es war El Sistani, der darauf bestand, dass der Übergang zu einem demokratischen System nicht nur nach den Vorstellungen der USA durchgeführt wird, sondern den Willen der Bevölkerung berücksichtigt.

Wenn dies auch noch nicht völlig umgesetzt wurde, so hat El Sistani doch immerhin erreicht, dass die verschiedenen Volksgruppen in den Übergangsgremien des Irak vertreten sind. Darüber hinaus liegt zumindest die Zusage der USA vor, dass die geplanten Wahlen wirklich frei und demokratisch sein sollen. El Sistani ist geduldig, denn er weiß, dass die Schiiten als Mehrheit im Irak von einer demokratischen Entwicklung am meisten profitieren. Warum also sollten sie für etwas kämpfen, das ihnen ohnehin zufällt, das sie mit Gewalt aber eher gefährden würden?

Kein Freund des Radikalen El Sadr

Muktada el Sadr
Der radikale Milizenführer El Sadr hat unter den Gelehrten wenig AnhängerBild: AP

Eine ernste Gefahr entstand mit dem Erstarken Moqtada el Sadrs: Der junge Fanatiker drohte mit seinem Vorgehen nicht nur den "sanften Übergang" zur schiitischen Machtübernahme zu gefährden. Er wird im Kreis der alten Religionsgelehrten als Unwissender und Fanatiker verachtet. Und Sistani hat besonderen Groll gegen Sadr: Dessen Anhänger ermordeten im vergangenen Jahr in Nadschaf den aus dem Exil heimgekehrten Sohn von Sistanis langjährigem Lehrer und Gönner Khoei.

In einer direkten Konfrontation zwischen Fanatikern vom Schlage Sadrs und Gemäßigten wie Sistani ist es um die Überlebenschancen der Gemäßigten schlecht bestellt. Es wäre aber falsch, Sistani zu unterstellen, er sei in den kritischsten Tagen des Kampfes um Nadschaf nach England "geflohen": Sistani unterzog sich dort einer Herzoperation und es zeugt sicher von seinem Engagement, dass er viel früher als erwartet in den Irak zurückkehrte, um den Kämpfen in Nadschaf ein Ende zu setzen.