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Einwanderer als Existenzgründer

Jeanette Seiffert23. Dezember 2013

Migranten gründen in Deutschland ebenso häufig Unternehmen wie Einheimische. Das besagt eine aktuelle Studie. Doch viele werden eher aus der Not heraus ihr eigener Chef - wie die Gründer einer Druckerei in Bonn.

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Iranischstämmige Existenzgründer Sara Mohammadi und Mehdi Farsad vor ihrem Geschäft in Bonn - Foto: Jeanette Seiffert (Deutsche Welle)
Bild: DW/J. Seiffert

Überall surrt und brummt es. Die Maschinen der Digitaldruckerei laufen auf Hochtouren. "Druckwelle" heißt das kleine Unternehmen, das Sara Mohammadi und Mehdi Farsad vor gut einem Jahr im Bonner Stadtteil Beuel gegründet haben. Eine Erfolgsgeschichte, die in der Türkei begann: Die Iranerin und der Bonner Farsad, der ebenfalls aus dem Iran stammt, lernten sich im Urlaub in Istanbul kennen - und verliebten sich.

Heute sind die beiden verheiratet und stehen jeden Werktag gemeinsam in ihrem Laden, zwischen Kopierern und Druckmaschinen. "Sara war in ihrer Heimat eine erfolgreiche Mediaplanerin, hat eine Abteilung in einer großen Firma geleitet", erzählt Mehdi Farsad und sieht sie dabei stolz an: "Das schafft im Iran eine Frau ganz selten." Bis heute kann er es kaum glauben, dass Sara ihre Karriere im Iran aufgab, zu ihm nach Deutschland kam und dann den Laden in Bonn mit ihm aufgebaut hat.

Erfolgreiche Gründer

Vor einem guten Jahr, im Dezember 2012, haben sie das Geschäft in einer ruhigen Nebenstraße eröffnet. Sie bieten Digitaldruck in allen Varianten an, gestalten Visitenkarten, Broschüren, Kalender oder Poster. Innerhalb weniger Monate haben sich die beiden einen festen Stamm von Firmenkunden erarbeitet: Kleine Ingenieurbüros oder Arztpraxen sind darunter, aber auch große Unternehmen wie DHL und die Telekom. Etliche Bonner Vereine lassen in der "Druckwelle" T-Shirts und Broschüren drucken.

"Es war ein gutes Jahr", erzählt Sara Mohammadi. "Wir haben vorher alles genau geplant: was wir verdienen müssen, was wir ausgeben dürfen. Und die Zahlen sind sogar besser als gedacht."

Iranischstämmiger Existenzgründer Mehdi Farsad in seinem Geschäft in Bonn - Foto: Jeanette Seiffert (Deutsche Welle)
Firmengründer Farsad an der Druckmaschine: Der Umsatz ist besser als geplantBild: DW/J. Seiffert

Mit ihrem eigenen kleinen Unternehmen liegen die beiden im Trend: Laut einer aktuellen Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg und der Universität Hannover gründen Migranten in Deutschland ebenso häufig eine Firma wie Einheimische. Etwa jeder 20. hat diesen Mut. Zuwanderer aus westlichen und nördlichen Anrainerstaaten Deutschlands wagen diesen Schritt sogar etwas häufiger als Deutsche.

Eigener Laden als Karrierechance

Die eigene Firma sei die einzige Möglichkeit für seine gewesen, in ihrem Beruf weiterzuarbeiten, sagt Mehdi Farsad. Sara Mohammadi lächelt ihn liebevoll an, als sie von ihrer schwierigen Anfangszeit in Bonn vor gut zwei Jahren erzählt. "Ich konnte überhaupt kein Deutsch sprechen, kaum etwas verstehen. Ich habe von null angefangen - wie ein Kind." Mittlerweile kann die Medienplanerin die Kunden der "Druckwelle" schon auf Deutsch beraten.

Ganz abgesehen von Sprachproblemen sei es für einen Einwanderer, der erst seit Kurzem im Land ist, sehr schwierig, in Deutschland einen qualifizierten Job zu finden, meint Mehdi Farsad. "Ich würde sagen: Im Mediabereich ist es fast unmöglich." Der Markt sei überlaufen, man brauche gute Kontakte und Netzwerke. Auch Mehdi Farsad ist vom Fach, hat viele Jahre lang als Werbetechniker gearbeitet. Als er dann seinen Job verlor und keinen neuen fand, wurde ihm klar, dass die eigene Firma für ihn und seine Frau eine Chance ist, in ihrem Beruf trotzdem erfolgreich zu sein.

Migranten sehen in der Selbstständigkeit häufiger als Einheimische eine gute Karriereoption. Das liegt auch daran, dass viele Studien- und Berufsabschlüsse, die im Ausland erworben worden sind, in Deutschland nicht anerkannt werden. Zu diesem Schluss kommt die IAB-Studie, für die insgesamt 15.000 Interviews mit Existenzgründern geführt wurden. Eine eigene Firma sei für Einwanderer eine Möglichkeit, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse dennoch einzusetzen, sagen die Arbeitsmarktforscher.

Teilnehmer beim Existenzgründer-Seminar - Foto: Sebastian Kahnert (dpa)
Büffeln fürs Geschäft: Teilnehmer bei einem Existenzgründer-SeminarBild: picture-alliance/dpa

Die ganze Familie packt mit an

Jürgen Zanders ist bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Bonn für Existenzgründungen zuständig. Er hat das iranischstämmige Ehepaar intensiv beraten, über Fördermöglichkeiten, aber auch über Risiken und Fallstricke bei der Firmengründung. Zanders überrascht es nicht, dass Einwanderer so häufig diesen Schritt wagen: "Vor allem bei Menschen aus südlichen Ländern steht oft die ganze Familie dahinter", so erklärt er sich die hohe Gründungsneigung bei Migranten. "Das heißt, da gibt die Oma 10.000 Euro, da legen die Geschwister noch was dazu - alle beteiligen sich irgendwie an dieser Selbstständigkeit."

Auch die Jungunternehmer Sara Mohammadi und Mehdi Farsad hatten die Unterstützung ihrer Familien. Für die Investitionen zu Beginn hat das Geld aber trotzdem nicht gereicht. Allein der Großformatdrucker im Laden habe 13.000 Euro gekostet, sagt Farsad. "Viele haben zu mir gesagt: Du bist verrückt, mit dem geringen Eigenkapital kannst du das nicht machen. Mach eine Kneipe auf, oder einen Kiosk." Jürgen Zanders von der IHK Bonn hat ihm stattdessen empfohlen, einen Unternehmensberater zu engagieren.

Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen

Mit ihm gemeinsam hat Farsad dann einen Businessplan erarbeitet: "Es war die schlimmste Zeit meines Lebens", sagt der 35-Jährige heute. Monatelang habe er sich fast rund um die Uhr mit Marktforschung beschäftigt - und mit Zahlen, Zahlen und noch mehr Zahlen. Doch er bekam dann auf Anhieb einen Kredit bei der staatlichen Förderbank KfW - und in den ersten sechs Monaten einen Gründungszuschuss vom Arbeitsamt. Nicht überall laufe das erste Jahr so gut wie bei den Deutsch-Iranern, sagt Jürgen Zanders: "Wir haben jedes Jahr 4000 Gewerbeanmeldungen, aber eben auch 3000 Abmeldungen - und das sind häufig Existenzgründungen, die gescheitert sind."

Die "Druckwelle" in Bonn will ihr Angebot im kommenden Jahr sogar erweitern und vielleicht zusätzliche Räume anmieten. Und man werde künftig alle Produkte auch übers Internet anbieten, erzählt Sara Mohammadi: "Der Laden ist wie mein Kind, und ich will auf jeden Fall weitermachen."