Einsatz ohne Parlamentsbeschluss?
29. Januar 2016Wenn die Regierung deutsche Soldaten in den Auslandseinsatz schicken will, muss der Bundestag zustimmen. Das sogenannte "Parlamentsbeteiligungsgesetz", das dies regelt, soll nun reformiert werden. Der Bundestag debattierte am Freitag in erster Lesung über den neuen Gesetzentwurf, der diverse Ausnahmen zulassen will, etwa bei "Ausbildungsmissionen in sicherem Umfeld", "logistischer Unterstützung ohne Bezug zu Kampfhandlungen" oder "Beobachtermissionen der Vereinten Nationen", wie es im Gesetzestext heißt.
Mehr Spielraum für die Exekutive
Künftig könnte die Regierung also einige Einsätze ohne das langwierige parlamentarische Verfahren auf den Weg bringen. "So können wir schnell und flexibel auf die Krisen des 21. Jahrhunderts reagieren", sagte der CDU-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Uhl. Die Regierung müsste andererseits den Bundestag künftig deutlich schneller und umfassender über alle Missionen informieren, erstmals auch über die geheimhaltungsbedürftigen Einsätze des Kommandos Spezialkräfte.
Die Gesamtbilanz der Regierungsparteien fällt positiv aus: "An vielen Stellen haben wir die parlamentarischen Rechte erweitert und präzisiert", sagte Rainer Arnold, SPD-Obmann im Verteidigungsausschuss. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter lobte die "austarierte Lösung", die den Parlamentsvorbehalt stärke.
Weniger Mitsprache für das Parlament?
Auf großes Unbehagen stößt der Gesetzentwurf hingegen bei der Opposition. "Rechtlich fragwürdig" findet der Grüne Frithjof Schmidt die Liste der Einsätze, die die Regierung künftig ohne die Zustimmung des Parlaments beschließen können soll. "Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet uns zu einer Einzelfallprüfung", betonte der Verteidigungspolitiker. Es funktioniere in der Praxis nicht, einen bestimmten Typ von Mission von vorneherein von dieser Prüfung auszunehmen. Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments würden durch das neue Gesetz geschwächt.
Auch die Linke sieht in dem Gesetzentwurf einen Versuch, die Rechte des Parlaments zu beschneiden. "Ausnahmslos alle Auslandseinsätze gehören in den Bundestag, weil das Militär ein hochgefährliches politisches Instrument darstellt", sagte der Verteidigungspolitiker Alexander Neu. Die Bundesregierung habe anscheinend den Überblick über die vielen Auslandseinsätze verloren, mutmaßte Neu, dessen Fraktion keiner der derzeit 16 Missionen zugestimmt hat.
Von Anfang an umstritten
Der heftige Widerstand der Opposition hat auch mit der Genese des Gesetzentwurfs zu tun, der auf den Vorschlägen einer Kommission unter der Leitung des früheren Verteidigungsministers Volker Rühe (CDU) basiert. Rühe hatte auch Grüne und Linke zur Mitarbeit eingeladen. Das hatten beide Parteien mit der Begründung abgelehnt, das Gremium sei eine "Regierungskommission", die mit dem Ziel angetreten sei, die Rechte des Parlaments einzuschränken. So saßen am Ende neben Fachleuten nur Politiker aus den Regierungsparteien in der Kommission.
Oppositionsparteien sehen sich in ihrer Skepsis nun durch einen weiteren Passus im Gesetz bestätigt: Demnach bedürfte künftig auch die Entsendung deutscher Soldaten in multinationale Hauptquartiere oder Stäbe der Nato oder der EU ausdrücklich keiner Zustimmung des Bundestags mehr.
Für SPD und CDU/CSU ist das eine logische Konsequenz aus den sicherheitspoltischen Entwicklungen des letzten Jahrzehnts. Die ist gekennzeichnet durch eine fortschreitende Bündnisintegration, worunter etwa die dauerhafte Bereitstellung von militärischen Fähigkeiten oder Personal für Aufgaben der Nato fällt.
Zweifel an der Verlässlichkeit
In den Augen der Bündnispartner hat sich Deutschland dabei nicht immer als verlässlicher Partner erwiesen: So zog die Bundesregierung während des Libyen-Einsatzes die deutschen Besatzungen aus den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der Nato zurück. Ein Schritt, der Deutschland noch lange angekreidet wurde, denn ohne die deutschen Besatzungen sind die AWACS nicht lange durchhaltefähig.
Das neue Gesetz soll hier die notwendige Kontinuität garantieren, solange die Soldaten sich "nicht im Gebiet eines bewaffneten Konfliktes befinden". Es gehe, so Roderich Kiesewetter (CDU), um nicht weniger als "die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Verbund und um die Verlässlichkeit".
Die Hauptquartiere und Stäbe herauszunehmen, sei "politischer Unsinn", meint hingegen Frithjof Schmidt, Verteidigungspolitiker der Grünen. "Planung und Befehle sollen per Gesetz nichts mehr mit dem Einsatz vor Ort zu tun haben - wem wollen Sie das denn weismachen?", fragte Schmidt. Weiterer Streit über die "heilige Kuh" Parlamentsvorbehalt ist nach dieser kontroversen Debatte also programmiert.