Einer aus dem Haus
14. November 2002Mit einer schnellen, aber geradlinigen Karriere hat der 41-Jährige den Aufstieg in die erste Reihe der deutschen Top-Manager geschafft. Unbestritten sind seine Erfahrung als Manager in den Sparten Mobilfunk und Online. Nach einer Banklehre und einem Studium an der European Business School in Reichartshausen kam er zunächst als Vorstandsassistent zur Bertelsmann AG. Von 1990 bis 1997 sammelte er Mobilfunk-Erfahrung als Geschäftsführer bei Talkline. Anfang 1998 wurde er schließlich Geschäftsführer der damaligen T-Mobil bei der Deutschen Telekom.
Erfolgreich bei T-Mobile
Seit Mai 2001 verantwortet Ricke die Mobilfunk- und Online-Aktivitäten der Telekom. Zu seinen Erfolgen gehört die Positionierung von T-Mobile als Marktführer im deutschen Mobilfunk mit rund 23 Millionen Kunden. Mit einem Umsatzsprung im ersten Quartal 2002 von 66 Prozent auf mehr als 4,5 Milliarden Euro steuert die Firma etwa ein Drittel zum Gesamtumsatz der Telekom bei.
Allerdings forcierte er auch den zu teuren Einstieg in den US-Markt über den Kauf der amerikanischen Firma Voicestream. Damit ist er zu einem erheblichen Teil für den Schuldenberg der Telekom mitverantwortlich. Gemessen an der Marktkapitalisierung war die Telekom bei ihrem Börsengang noch der größte DAX-Wert. Nachdem sie seit ihrem Börsengang über 40 Prozent ihres Werts verloren hat, steht sie heute nur noch an dritter Stelle.
Strukturprobleme
Gemessen an der Größe der Aufgabe ist der 1961 geborene Kai-Uwe Ricke erstaunlich jung. Mit rund 28 Milliarden Euro Verlust droht das größte Minus in der Unternehmensgeschichte, gleichzeitig plant die Telekom eine unpopuläre Gebührenerhöhung. Die Schulden drücken, der Aufbau des UMTS-Mobilfunknetzes verzögert sich und die Zukunft von T-Mobile USA (Voicestream) ist unklar. Erst kürzlich sagte der neue Vorstandschef, man sei nicht in den US-Markt eingestiegen, um wieder zu verschwinden.
Kai-Uwe Ricke kann als Vorstandsvorsitzender eine Familientradition fortsetzen. Sein Vater, Helmut Ricke, war bereits Vorstandschef beim Vorläufer Deutsche Bundespost, bevor Ron Sommer ab Mitte der 1990er Jahre dessen Privatisierung in die Hand nahm. Als Sommers Ziehsohn wurden Ricke Junior eine Zeit lang wenig Chancen für die Nachfolge eingeräumt. Dass er jetzt dennoch an die Spitze des Bonner Telekommunikationsriesen tritt, liegt möglicherweise auch an den Mehrheitsverhältnissen im Aufsichtsrat. Zur Zeit haben darin die zehn Arbeitnehmervertreter eine Mehrheit. Sie erhoffen sich von Kai-Uwe Ricke wahrscheinlich einen weniger drastischen Restrukturierungskurs.
Kein Notnagel
Ricke war erst ins Gespräch gebracht worden, nachdem andere prominente Manager, unter ihnen Postchef Klaus Zumwinkel und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, öffentlich abgesagt hatten.
Kai-Uwe Ricke lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Bonn. Er gilt als humorvoll, als begabter Marketing-Stratege und harter Arbeiter. Mit ihm als neuen Kapitän könnte der Tanker Deutsche Telekom langfristig wieder in ruhigeres Fahrwasser steuern.