Eine Woche GroKo: Seehofer sorgt für Streit
20. März 2018Was passiert, wenn man im politischen Berlin CDU-Politiker derzeit auf Horst Seehofer anspricht, den neuen Innenminister von der CSU? Meistens gehen die Augenbrauen nach oben. Nicht schon wieder der, soll das dann heißen. Sechs Tage ist die neue Regierung im Amt, und schon zweimal hat der neue Minister vor allem seine Parteifreunde von der CDU auf die Palme gebracht. Erst mit dem Satz, die Muslime, die hier wohnten, gehörten zwar zu Deutschland, der Islam aber nicht. Und dann mit seiner Einlassung, die Kontrollen an den deutschen Grenzen sollten verlängert und sogar ausgeweitet werden.
Schnell zur Sacharbeit
Brauchen wir wirklich solche Debatten? So lautet die Frage vieler. Die neue CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer fasste zu Wochenbeginn zusammen, was viele denken: Die Bürger in Deutschland erwarteten nach der langen Regierungsbildung zu Recht, dass die Koalition sehr schnell in die Sacharbeit finde, sagte sie. Sich in den neuen Ämtern durch Tatkraft zu profilieren, sei durchaus in Ordnung, so Kramp-Karrenbauer. Aber als Beispiel fiel ihr dann nicht etwa Seehofer ein, sondern der neue Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der nach Washington geeilt sei, um den drohenden Handelskrieg mit den USA noch abzuwenden.
"Was soll die Diskussion?"
"Was soll so eine Diskussion?", schimpft ein führender CDU-Politiker, der lieber ungenannt bleiben möchte. Und er meinte vor allem Seehofers Vorstoß, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. "Wir haben doch jede Menge handfeste Probleme. Der Streit mit den USA, die Zukunft der EU. Die Digitalisierung. Darum müssen wir uns kümmern." Tatsächlich hatte schon die Kanzlerin Ende letzter Woche Seehofers Islam-Bemerkung kalt zurückgewiesen: "Inzwischen leben vier Millionen Muslime im Land. Und diese Muslime gehören auch zu Deutschland. Und genauso gehört ihre Religion damit zu Deutschland. Also auch der Islam", sagte die CDU-Vorsitzende. Ende der Durchsage. Und auf ihre ganz eigene Art nahm Merkel dann auch die Luft aus Seehofers zweiter Interview-Offensive: Sie stellte sich hinter seine Forderung, die Kontrollen an den deutschen Grenzen weiterzuführen, solange der komplette Schutz an den EU-Außengrenzen noch nicht gewährleistet sei. Dass Seehofer auch eine Ausweitung der Kontrollen ins Spiel gebracht hatte, überging die Kanzlerin ganz elegant.
"Keiner will den Streit eskalieren lassen."
Aber ansonsten blieben die öffentlichen Äußerungen von Koalitions-Politikern auf Seehofer auffällig zurückhaltend. Zur Islam-Debatte sagte für die SPD etwa die stellvertretende Vorsitzende Manuela Schwesig eher sachlich: "Debatten, die das Land spalten, helfen niemandem weiter." Und Generalsekretär Lars Klingbeil antwortete per Twitter.Die Zurückhaltung hat Gründe: "Ganz klar: Streit innerhalb von Regierungsparteien wirkt sich sofort auf die Zustimmung im Volk aus", meint dazu Roberto Heinrich, Meinungsforscher beim Institut Infratest-dimap zu DW. "Also hat keiner Interesse, den Streit jetzt eskalieren zu lassen." Vor allem die SPD denke außerdem derzeit darüber nach, ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik neu zu bestimmen: Klare Integrationsangebote, aber auch Härte, wenn Regeln nicht befolgt werden, ist etwa das Credo der neuen Familienministerin Franziska Giffey von der SPD. Und alle in der Regierung wissen: Seehofers plakative Thesen finden eine klare Zustimmung im Volk: "Als wir das letzte Mal gefragt haben, ob der Islam zu Deutschland gehört, fanden 60 Prozent, dass das nicht stimmt", so Roberto Heinrich.
Die Opposition ist umso empörter: So sagte die Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock, zu Seehofers Grenzkontrollen-Idee: "Es gilt ganz klar das europäische Recht, es kann auch kein bayerischer neuer Innenminister plötzlich aus einer Laune heraus sagen, er entscheidet jetzt mal darüber, wie die Binnengrenzen in Europa in Zukunft zu gestalten sind. Es gilt das Recht der Freizügigkeit in Europa."
Gehört der Islam zu Deutschland? Eine alte Debatte
Praktische Folgen werden die Einfälle von Seehofer wohl kaum haben: Fragen der Grenzkontrollen werden tatsächlich innerhalb der EU diskutiert. Viele EU-Länder - neben Deutschland auch Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen - hatten wegen der hohen Zahl von Migranten bereits 2015 solche Kontrollen eingeführt, die deutschen gelten noch bis Mai. Die EU will sie dann aufheben. Ob das passiert, ist Gegenstand von Gesprächen zwischen den Staaten. Und eine Debatte um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, hatte vor vielen Jahren schon für Aufregung gesorgt, als der damalige Bundespräsident Christian Wulff 2010 erklärte: "Der Islam gehört zu Deutschland". An einer Neuauflage dieser Diskussion haben in der neuen Regierung nur wenige Politiker Interesse. Und die Opposition vermutet, Seehofer handele sowieso nicht als Bundesminister, sondern als Politiker der CSU, die sich vor der Landtagswahl in Bayern im Oktober am rechten Rand profilieren wolle. "Die Bundespolitik der Großen Koalition darf nicht auf dem Altar der bayrischen Landtagswahlen geopfert werden", sagte etwa der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz der DW. Das wird Seehofer aber wohl kaum davon abhalten, weiter zu provozieren.