70 Jahre Augsburger Puppenkiste
26. Februar 2018"Was wir machen - wir wackeln mit einem Stück Holz." So beschrieb Klaus Marschall, der Leiter der Augsburger Puppenkiste, einmal seine Arbeit in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk. Das Stück Holz sind die Marionetten, mit denen die Puppenbühne seit sieben Jahrzehnten die Menschen verzaubert.
Vor genau 70 Jahren, am 26. Februar 1948, knapp drei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, öffnete sich der Vorhang der Augsburger Puppenkiste zum ersten Mal. Gezeigt wurde das Märchen "Der Gestiefelte Kater". Spielort war ein ehemaliges Krankenhaus, das die Stadt Augsburg dem Gründer der Augsburger Puppenkiste, Walter Oehmichen, zur Verfügung gestellt hatte.
In diesem Bau befindet sich das Marionetten-Theater noch heute, inzwischen in dritter Generation. Pro Jahr kommen etwa 90.000 Zuschauer zu den rund 420 Aufführungen, die dadurch zu 95 Prozent ausgelastet sind. Eine Bilanz, die sich sehen lässt. Und trotzdem: "Ohne die öffentliche Hand wären wir nicht lebensfähig", sagt Klaus Marschall, der Enkel des Gründers Walter Oehmichen.
Die Puppenkiste im Fernsehen
Ihre Bekanntheit verdankt die Augsburger Puppenkiste einem Zufall: Anfang der 1950er Jahre war Hanns Farenburg, der Sendeleiter des ARD-Vorgängersenders NWDR, auf der Suche nach Inhalten für ein Kinderprogramm im gerade neu gestarteten Medium Fernsehen. Bei einem Werbespiel der Puppenbühne für den Bauernverband sah Farenburg zu und nahm das Theater unter Vertrag.
Oehmichen packte seine Puppenkiste, fuhr nach Hamburg und ging nur wenige Wochen nach dem Start der "Tagesschau" auf Sendung. Am 21. Januar 1953 lief das Marionettenspiel von "Peter und der Wolf". Ein Kasperletheater, davor eine Kamera - so einfach war in den Anfängen Fernsehen.
Doch so primitiv sollte es nicht lange bleiben. Eine der ersten großen Produktionen war die "Muminfamilie". Inzwischen hatte der Hessische Rundfunk das Ganze übernommen. Für das kleine Theater bedeuteten die Dreharbeiten wie bei allen folgenden Produktionen eine Konzentration ausschließlich aufs Fernsehen: Für etwa zwei Monate schloss die Puppenkiste.
Die Zusammenarbeit mit dem Fernsehen lohnte sich: Es folgten mehrere Erfolgsproduktionen, darunter "Bill Bo", "Der Räuber Hotzenplotz", "Kleiner König Kalle Wirsch" oder "Urmel aus dem Eis". Über all diesen aber steht der Erfolg von "Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer". Anfang der 1960er Jahre wurde das Buch von Michael Ende das erste Mal auf die Puppenbühne gebracht, 1976 entstand die bekannte Neuverfilmung in Farbe - mit dem zum Klassiker gewordenen Meer aus gespannter Klarsichtfolie. Ganze Generationen wuchsen seitdem mit dem Lummerland-Ohrwurm "Eine Insel mit zwei Bergen" heran. Die TV-Stars waren allerdings nur im Fernsehen zu sehen - nie auf der Puppenbühne in Augsburg.
Bis in die 1990er Jahre waren die Wiederholungen nicht aus den Programmen der ARD und später auch dem Kinderkanal wegzudenken. Doch dann war Schluss. Nur noch vereinzelt laufen Stücke aus Augsburg im Fernsehen und dort vor allem in Spartensendern. Schon früh merkte etwa der Kinderkanal, dass den heutigen Kindern das Puppenspiel schlicht zu langsam ist.
Wege in die Zukunft
Gutes Figurentheater sei wie ein gutes Buch, es rege die Fantasie an, sagt Klaus Marschall. "Die Zuschauer müssen sich auf die Geschichte einlassen. Dann beginnen die Figuren darin zu leben." Er ist überzeugt, dass das Spiel mit den Holzfiguren trotz Fernsehen, Handy und Internet nichts von seiner Faszination verloren habe. Doch er sagt auch: "Unser Bekanntheitsgrad sinkt, vor allem bei den Jüngeren."
Um das zu ändern, hat der Theaterleiter mit seinen 16 Mitarbeitern im Puppenspieler-Team ein neues Standbein aufgebaut. An Weihnachten 2016 und 2017 brachte die Puppenkiste jeweils ein Bühnenstück als Film in die Kinos. "Damit erreichen wir auf einen Schlag genauso viele Zuschauer wie mit der Puppenbühne im ganzen Jahr", so Marschall. Auch 2018 wird es deshalb wieder einen Weihnachtsfilm geben: eine Inszenierung der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens für die Puppenbühne.
Für den Herbst ist zudem ein weiteres Mammutprojekt geplant, nach dessen Premiere auch der Geburtstag nachgefeiert werden soll, der jetzt zum Stichtag eher klein gehalten wird: Die Augsburger Puppenkiste will Wagners Ring des Nibelungen inszenieren - in zwei Stunden. Ausgeruht wird sich in Augsburg also nicht, im Gegenteil. Das Erbe von Walter Oehmichen und seiner Frau Rose soll auch in Zukunft lebendig gehalten werden, damit die Augen der Zuschauer aufs Neue immer wieder leuchten - die der Kinder und auch die der Erwachsenen.
pl/ka (kna, epd, afpd)