Eine Stimme für Europa?
29. September 2003Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger kritisierte einmal, dass Europas Stimme immer dann besonders fehle, wenn eine Krise aufkommt. Zwar werde es immer klarer, so Kissinger seinerzeit, dass sich eine europäische Identität formt. Aber "bis es einen Ansprechpartner geben wird, wird es vielleicht noch etwas dauern".
Ökonomischer Riese - politischer Zwerg
Europa ist - so die häufig zu hörende Kritik - ökonomisch ein Riese, politisch aber ein Zwerg. Die Krisen auf dem Balkan oder der Irak-Krieg haben gezeigt, wie uneinig die Europäer in außenpolitischen Fragen sind.
Die Festlegung auf eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) durch den EU-Vertrag von 1993 war zwar ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Zusammenarbeit, ersetzt aber keinesfalls die nationalen Außenpolitiken. Beschlüsse zur GASP werden zudem vom Europäischen Rat bislang grundsätzlich einstimmig verfasst. Dem Hohen Vertreter der GASP, Javier Solana, sind dadurch die Hände gebunden.
Gemeinsamer Außenminister stärkt Europa
Der Präsident des EU-Konvents, Valéry Giscard d'Estaing, will diesen Mangel beheben, indem er den Posten des Hohen GASP-Vertreters mit dem des Kommissars für Außenbeziehungen, den zurzeit der Brite Chris Patten innehat, in einem Amt zusammenfasst, dem des EU-Außenministers: "Europa ist politisch gesprochen zu schwach", so Giscard d'Estaing. "Diese Schwäche ist weder gut für Europa noch für sonst jemanden. Ich denke, es ist deshalb dringend, dass der Konvent konkrete Vorschläge für einen wirklich gemeinsamen Außenminister macht."
Und so soll der Europäische Rat einen europäischen Außenminister mit qualifizierter Mehrheit und mit Zustimmung des Kommissions-Präsidenten ernennen. Der Außenminister würde dann im Auftrag des Rates arbeiten und gleichzeitig Vizepräsident der Kommission sein.