Eine Frau für Rau?
10. September 2003Johannes Rau ist der achte in der Reihe der Bundespräsidenten. Und allgemein heißt es, die Bundesrepublik habe mit ihren Staatsoberhäuptern Glück gehabt. Das ist sicher nicht verkehrt, wenngleich wirklich nicht alle von ihnen tatsächlich bedeutend für das politische oder intellektuelle Klima der Bundesrepublik waren. Über die Qualität eines Präsidenten sagt das allein freilich noch nicht viel aus, hängt es doch umgekehrt auch von dem politischen Klima ab, welcher Typus zu welcher Zeit welche Strahlkraft entwickeln kann.
Rau hat nun erklärt, dass er sich nicht um eine zweite Amtszeit bewerben wolle. Abgesehen davon, dass er seine persönliche Lebensplanung als Motiv dafür anführt, die realen Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung hätten seine Wiederwahl ohnehin unwahrscheinlich gemacht. Die SPD plädiert jetzt für eine Frau im höchsten Staatsamt. Damit könnte sich ein Muster wiederholen, das schon seit rund 25 Jahren seine Runde macht: Frauen wurden bislang nur dann ins Rennen geschickt, wenn die Mehrheit für sie ziemlich unwahrscheinlich war. Das gilt für alle Parteien.
Merkel will Kanzlerin werden
Gleichwohl, das Vorpreschen der SPD wird von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel damit beantwortet, dass es einzig auf Eignung und Mehrheitsfähigkeit ankomme, nicht jedoch aufs Geschlecht. Schön wäre es, könnte man antworten, wenn man nicht gleichzeitig im Ohr hätte, dass Merkel selbst nicht in Frage komme, weil sie ja Kanzlerin werden möchte. Das wiederum gilt in der Union als Hindernis für eine Frau im Präsidentenamt, weil dann ja gegebenenfalls Staatsoberhaupt und Regierungschef gleichzeitig von Frauen gestellt würden. Eine kuriose Denkweise angesichts der Geschichte der Bundesrepublik, in der beide Ämter stets von Männern besetzt wurden. Das gesellschaftliche Klima ist da wohl weiter: Zwei Frauen gleichzeitig in höchsten Staatsämtern sind in Deutschland durchaus möglich.
Eine Kanzlerkandidatin stünde im politischen Wettbewerb. Sie könnte und müsste sich gegen den politischen Gegner behaupten. Die von Merkel geforderte "Eignung und Mehrheitsfähigkeit" stünde tatsächlich auf dem Prüfstand. Vermutlich würde sich der Wähler nur nachrangig am Geschlecht der Kandidaten orientieren. Mag sein, dass eine Frau im Amt auch Signalwirkung entwickeln würde, sicher ist das im politischen Alltag keineswegs. Der Bundespräsident ist indessen dem politischen Kleinkrieg enthoben, es ist geradezu seine Aufgabe, überparteiliche Akzente zu setzen. Insofern wäre es dieses Amt, in dem eine Frau nahezu symbolisch zeigen würde, dass Deutschland im 21.Jahrhundert angekommen ist.
Politisches Kalkül
Voraussichtlich wird es aber nicht dazu kommen. Eine Kandidatin der SPD hätte in der Bundesversammlung - sie besteht aus allen Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen von den Landtagen entsandten Mitgliedern - nur dann eine Chance, wenn mindestens die FDP mit den rot-grünen Delegierten stimmen würde. Und das ist unwahrscheinlich, denn die Präsidentenwahl folgt auf allen Seiten politischem Kalkül. Das wiederum dürfte es den Liberalen gebieten, für den Kandidaten der Union zu stimmen, mit der die FDP 2006 ja wieder die Bundesregierung stellen möchte.
Demnach wird im kommenden Jahr keine Frau das höchste Staatsamt bekleiden. Am gesellschaftlichen Klima liegt das jedenfalls nicht.