Eine Frage des Überlebens
17. April 2013Der Planet Erde wird ohne Menschen überleben – umgekehrt gilt das nicht. Auch aus diesem Grund hat sich das 1974 gegründete Worldwatch Institute (WWI) zur Aufgabe gemacht, jedes Jahr den Einfluss der Menschen auf Umwelt und Natur zu errechnen und zu bewerten. Das Ergebnis ist schon seit Jahren eindeutig: Die Zerstörung des menschlichen Lebensraums hält unvermindert an - durch die Ausbeutung von Ressourcen und die Zerstörung von Ökosystemen. "Anthropozän" nennen Wissenschaftler daher auch das Zeitalter, in dem die Menschheit zum geologischen Faktor geworden ist.
Weiter Weg zur Nachhaltigkeit
"Ist Nachhaltigkeit noch möglich?" fragen die Wissenschaftler des WWI in der aktuellen Ausgabe ihres Berichts zur Lage der Welt. WWI-Direktor Robert Engelman hat auf diese Frage keine einfache Antwort: "Man muss weder optimistisch noch pessimistisch sein, sondern einfach realistisch. Von echter Nachhaltigkeit sind wir sehr weit entfernt."
Es sind vor allem politische Versäumnisse, die Engelman und sein Team in dem Bericht auflisten. "Die Klimasituation hat sich nicht verbessert. Es gibt keine Anzeichen für ein internationales Abkommen, das die weltweiten Emissionen dramatisch reduzieren könnte, um doch noch die Zwei-Grad-Schwelle für die Erderwärmung zu schaffen. Im Gegenteil: Im Vergleich zur prä-industriellen Ära werden die Temperaturen eher um vier Grad steigen", so Engelman in einem Interview mit der Deutschen Welle.
Ist ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften also unmöglich, wie der Titel des aktuellen Berichts (Is Sustainability Still Possible?) zumindest in Erwägung zieht? Robert Engelman: "Wir beantworten die Frage nicht direkt im Buch, doch der Bericht meint: Ja, Nachhaltigkeit ist möglich. Ob eine nachhaltige Entwicklung wahrscheinlich ist, ist dabei eine ganz andere Frage. Doch sie ist möglich, wenn wir jetzt handeln."
Raubbau und Überbevölkerung
Kritisch sehen Engelman und sein Team auch die internationale Debatte über den unscharfen Begriff der Nachhaltigkeit: "Wenn wir behaupten, nachhaltige Entwicklung voranzubringen, dann müssen es Maßnahmen sein, die nicht nur zur Entwicklung beitragen, sondern auch tatsächlich nachhaltig sind. Wenn Kompromisse gemacht werden, um zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung voranzubringen, dann muss man das auch klar sagen. Und ebenso, wenn Nachhaltigkeit auf Kosten der Entwicklung vorangetrieben wird".
Dabei sperrt sich der Wissenschaftler nicht grundsätzlich gegen Kompromisse. Wirtschaftswachstum für möglichst alle Staaten und ökologische Nachhaltigkeit seien nicht unter einen Hut zu bringen: "Wir müssen darüber nachdenken, was wir bereit sind für Nachhaltigkeit zu opfern. Denn ohne Nachhaltigkeit wird der Planet unbewohnbar."
Verständliche Wissenschaft
Für Wissenschaftler gehören die "State of the World"-Berichte zur Standardlektüre. "Die Berichte haben eine große Reputation", betont Dirk Messmer, Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), im Interview mit der Deutschen Welle. Wenn man in den USA nach den großen Forschungseinrichtungen zur Nachhaltigkeit fragt, die auch beratend tätig sind, werden das Worldwatch Institute und das World Ressource Institute genannt."
Zwar richtet sich der Jahresbericht des WWI vor allem an Entscheidungsträger und Lobbyisten, aber, so WWI-Direktor Engelman, eigentlich sollte es jeder Bürger lesen.
Keine deutsche Ausgabe mehr
Für Christoph Bals, politischer Geschäftsführer von Germanwatch in Bonn, gehört der Bericht zur Pflichtlektüre. Er empfiehlt das Buch allen, die "denken, dass aus den USA nur Probleme kommen und nicht auch innovative Ansätze und Vorschläge". Außerdem mache der Bericht Mut. "Ich glaube, dass die, die mutlos werden in dieser Debatte, dass sie zu so einem Buch greifen sollten, um auch erfrischende Ideen, Konzepte und Handlungsvorschläge mitgeliefert zu bekommen."
Die unabhängige Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch in Bonn war seit 1999 Mitherausgeber einer deutschen Ausgabe des Berichts zur Lage der Welt. In diesem Jahr fehlt das Geld für eine deutsche Ausgabe. Weltweit werden die "State of the World"-Berichte in mehr als 20 Sprachen übersetzt und veröffentlicht.