Eine europäische Flotte gegen Waldbrände
19. Juli 2019Sieben Löschflugzeuge und sechs Helikopter: Das ist der erste Teil der sogenannten "rescEU"-Flotte. Bereitgestellt werden die ersten Maschinen von fünf EU-Mitgliedsstaaten (Spanien, Italien, Frankreich, Schweden, Kroatien) für andere europäische Länder und Anrainerstaaten. Sie können im Ernstfall darauf zugreifen und die Maschinen zur Bekämpfung von Waldbränden anfordern. Spanien stellt zwei sogenannte "Canadairs" dafür ab, Löschflugzeuge der größten und effektivsten Kategorie. Sie fassen über 6.000 Liter Wasser und können ihre Löschtanks in nur zehn Sekunden auffüllen.
Diese "Canadairs" warten am Luftwaffenstützpunkt Torrejón in der Nähe von Madrid auf ihren nächsten Einsatz. Sonnenverbranntes, gelbes Gras säumt das Rollfeld. Der Wetterbericht kündigt Temperaturen von bis zu 40 Grad im Schatten an – ideale Bedingungen für Waldbrände. Die spanische Luftwaffe hat Erfahrung damit. Ihre Piloten flogen im Vorjahr über 200 Einsätze mit "Canadairs". Insgesamt besitzt Spanien 260 größere und kleinere Löschflugzeuge. Von dieser Expertise sollen andere, weniger gut ausgerüstete Länder nun schneller und effizienter profitieren können.
Klimawandel heizt Waldbrände an
"Wir haben in jüngster Zeit gesehen, wie sich Brände in ganz Europa ausbreiten, von Nord nach Süd, von Ost nach West. Brände respektieren keine Grenzen", sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, Christos Stylianides, am Luftwaffenstützpunkt Torrejón beim offiziellen Startschuss für "rescEU". Der Klimawandel führe dazu, dass Waldbrände mehr Land zerstören und die Waldbrandsaison länger wird. Statt wie bisher von Juni bis September, gelten mittlerweile auch Mai und Oktober als Hochrisikomonate – vor allem seit dem Oktober 2017.
Nachdem bereits im Juni 2017 bei Waldbränden in Zentralportugal 66 Menschen starben, brachen im Oktober im Norden des Landes erneut großflächige Brände aus. Die portugiesische Regierung bat andere EU-Mitgliedsstaaten um Hilfe. Doch auch in den Nachbarländern war es für die Jahreszeit ungewöhnlich heiß. Das Waldbrandrisiko war so hoch, dass kein Land es riskieren wollte, Löschflugzeuge zu verleihen. Das Resultat: Binnen weniger Tage starben in Portugal 45 weitere Menschen in den Flammen.
Mit "rescEU" solle das nicht nochmal passieren, sagt Stylianides. In den kommenden Jahren soll die Flotte weiter ausgebaut und das Equipment bestmöglich in Europa verteilt werden: "Wir kommen unserer Verpflichtung nach, besser vorbereitet und gewappnet zu sein, um die Intensität und Komplexität der heutigen Naturkatastrophen infolge des Klimawandels zu bewältigen."
RescEU: Verbindlich statt freiwillig
Seit 2001 gibt es den sogenannten Zivilschutzmechanismus der EU, durch den alle Länder weltweit Hilfe zur Bekämpfung von Katastrophen von europäischen Ländern anfordern können. Bislang konnten Mitgliedsstaaten nach so einem Hilferuf freiwillig Technik und Personal zur Verfügung stellen. Das führte dazu, dass manche Anfragen unbeantwortet blieben. Im Jahr 2017 gab es auf sechs von 17 Notrufen keine Antwort.
Unter dem überarbeiteten Notfallmechanismus "rescEU" können EU-Länder und Drittstaaten in Not auf dauerhaft bereitgestellte Flugzeuge, Helikopter und anderes Equipment zugreifen. Dadurch soll eine erneute Katastrophe wie in Portugal verhindert werden. Damit es in jenen Ländern, die sich an "rescEU" beteiligen, zu keinen Engpässen kommt, finanziert die EU-Kommission zusätzliche Ausrüstung.
Mit bis zu 90 Prozent beteiligt sie sich an den Anschaffungskosten für neue Helikopter und Flugzeuge, sowie an deren Wartung. Die Einsatz- und Transportkosten übernimmt die EU zu 75 Prozent. Im kommenden Jahr erwartet die Kommission detaillierte Einkaufspläne der Mitgliedsstaaten. Das Geld dafür kommt aus dem EU-Budget. Bis 2020 sind 136 Millionen Euro pro Jahr dafür vorgesehen, danach sollen es nach Wunsch der EU-Kommission 200 Millionen jährlich werden. Ein "Canadair"-Flugzeug kostet zwischen 30 und 40 Millionen Euro.
Jegliches Material, das durch die EU-Kommission mitfinanziert wird, ist dann Teil der "rescEU"-Flotte und muss anderen Staaten im Notfall zur Verfügung gestellt werden. Bis 2025 soll die Flotte fertig sein. Dann soll neben Feuerlöschflugzeugen auch Ausrüstung für medizinische Notfälle und chemische oder nukleare Katastrophen dazu gehören. Beim Ausbau von "rescEU" ist die EU-Kommission auf den guten Willen der Mitgliedsstaaten angewiesen. Eigenes Equipment kann sie nicht anschaffen, da Zivilschutz Zuständigkeit der nationalen Regierungen ist. Die angebotene Finanzierung ist daher als Anreiz gedacht.
Gemeinsame Feuerbekämpfung als gelebte Solidarität
"Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit 'rescEU' Europas Kapazitäten ausbauen können, damit wir eine wirklich effiziente, effektive und gemeinsame Antwort auf Naturkatastrophen, vor allem auf Waldbrände, haben", sagte EU-Kommissar Stylianides. In Zukunft könnten über den Kontinent verteilt drei bis vier Einsatzzentren entstehen. Der Kommissar sieht keine Gefahr mehr, dass die in anderen Bereichen oft mangelnde Solidarität dem Ausbau eines gemeinsamen Katastrophenschutzes im Weg steht.
"Als wir das erste Mal versucht haben, Mitgliedsstaaten von der Notwendigkeit, das alte System auszubauen, überzeugen wollten, haben wir einen gewissen Widerwillen gesehen", sagte Stylianides. "Aber die Waldbrände in Schweden letzten August waren ein Wendepunkt. Waldbrände sind kein Problem des Südens mehr, sondern überall."
Ob "rescEU" in den nächsten Jahren tatsächlich zum Erfolg wird, ist offen. Christos Stylianides' Amtszeit als Kommissar geht im Herbst zu Ende. Dann tritt eine neue EU-Kommission mit neuen Prioritäten an. Wer danach für humanitäre Hilfe und Krisenschutz zuständig ist, oder ob Stylianides weitermacht, ist nicht bekannt. Auch die Finanzierung der Initiative nach 2020 muss noch von Mitgliedsstaaten und EU-Parlament beschlossen werden. Spitzenbeamte zeigen sich weniger optimistisch, dass es tatsächlich die gewünschte Summe von 200 Millionen Euro pro Jahr wird.