Wandern an der Zugspitze
19. September 2013"Nein, da können Sie nicht hoch laufen." Klare Ansage. Die Kassiererin, die die Tickets für die Zugspitzbahn verkauft, meint es ernst. Denn sie kennt die Frage schon. An jedem schönen Tag in der warmen Jahreszeit kommen Tausende Touristen nach Garmisch-Partenkirchen und wollen auf die Zugspitze. Einmal auf Deutschlands höchstem Berg stehen, das wäre doch was. Aber der Preis schreckt ab. 50 Euro für einen Erwachsenen, das ist viel Geld. Vielleicht kann man auch laufen?
Aber die Ticketverkäuferin hat recht. Nur zwei Wege führen von deutscher Seite auf die Zugspitze. Für den einfachen braucht man je nach Kondition zwei bis drei Tage, den kürzeren sollte man besser nur mit einem Bergführer wagen. Doch es gibt auch eine Alternative, bei der man dem Zugspitzmassiv sehr nahe kommen kann und nur einen Tag Zeit, gute Schuhe und ausreichend Proviant braucht.
Auf geht‘s
Die Tour beginnt im Nachbarort Hammersbach, mit der Zugspitzbahn nur wenige Minuten von Garmisch-Partenkirchen entfernt. Schon der Eingang zum Höllental lässt erahnen, was den Wanderer erwartet. Ehrfurcht einflößend baut sich rechts der Schlucht die 1000 Meter hohe Nordwand des Kleinen Waxenstein auf. Die Route beginnt ganz einfach auf breiten Wegen. Doch schon nach einer halben Stunde, der Weg hat das Tal verlassen und windet sich in Kehren höher, sieht man links und rechts die ersten Wanderer verschnaufen. "Ich sollte mehr Sport machen", murmelt ein Mittvierziger in Turnschuhen, seine Frau lacht.
Gut 300 Meter Höhenunterschied sind zu bewältigen, dann kommt das erste Ziel in Sicht: der Eingang zur Höllentalklamm. An einer Hütte muss man einen engen Spalt passieren - und steht plötzlich in einer anderen Welt.
Durch die Klamm
Die Höllentalklamm ist sicherlich eine der imposantesten in den Alpen. Auf 700 Metern Länge hat sich über Jahrtausende das Wasser mit Gewalt einen Weg durch den Fels gebahnt. Die Wände sind bis zu 150 Meter hoch und an der engsten Stelle nur wenige Meter voneinander entfernt. Durch die in den Fels gehauenen Pfade und Tunnel geht es vorbei an Wasserfällen, gurgelnden Becken und gischtgekrönten Katarakten. Das stürzende Wasser hat bizarre Felsformationen geschaffen und macht einen Höllenkrach. In die enge Klamm fällt so gut wie kein Sonnenlicht, selbst im Hochsommer ist es hier kühl und feucht wie in einer Höhle. Manch ein Profi hat vorsorglich Regenbekleidung mitgenommen. Durch die Klamm kommt niemand, ohne ordentlich nass zu werden.
Auf der Hütte
Genauso unvermittelt wie der Beginn der Klamm kommt ihr Ende. Der Blick öffnet sich und man steht in einem idyllischen Hochtal. Ein breites Bachbett lädt die ersten Wanderer zum Picknicken ein. Aber besser ist es weiter zu ziehen, denn die Tour ist noch lang. Nach einer gemächlichen Stunde auf schmalen Wegen erreicht man das zweite Ziel, die Höllentalangerhütte. 120 Jahre ist sie alt und war lange Zeit Stützpunkt für Bergsteiger, die auf die Zugspitze wollten. Doch das hat sich geändert. Heute überwiegen die Tagesausflügler, und die kommen auch schon mal aus Saudi Arabien, Singapur oder Argentinien. "An manchen Tagen bestellt schon mal die Hälfte der Gäste auf Englisch", meint Hüttenwirt Thoma Auer. Von der Veranda aus hat man einen einmaligen Blick in das vielleicht imposanteste deutsche Hochgebirgsensemble. Das Tal endet mit den steil abfallenden Wänden des Zugspitzmassivs. Im Osten thront unnahbar der Große Waxenstein, im Westen der Hochblassen, alles Gipfel zwischen 2200 und 2900 Metern. Und mittendrin in diesem Amphitheater bietet die Hütte alles, was sich der Bergurlauber so wünscht: deftige bayerische Küche - von der Brotzeit bis zum Hirschgulasch.
Es wird luftig
Auf geht's zum "alpinsten" Teil der Wanderung! Über der Hütte beginnt ein Bergpfad, der sich in der östlichen Flanke des Tals empor windet. Der Weg ist teilweise in den Felsen gehauen und mit Stahlseilen gesichert, aber an keiner Stelle gefährlich. Die Sicherungen sind eher psychologische Hilfe für die, die solche Höhen nicht gewohnt sind. Nach etwa einer Stunde passiert man seltsame, kühn in den Steilhang gebaute Hütten, die Knappenhäuser. Sie wurden von Bergleuten bewohnt, die hier oben bis zum 1. Weltkrieg seltene Erze abbauten. Nun wird es noch einmal steiler, die Pfade felsiger, die Tiefblicke immer atemberaubender, und nach einer weiteren Stunde ist der höchste Punkt der Tour erreicht.
Abwärts schweben
Schon von weitem konnte man die Scharte zwischen zwei Gipfeln erkennen, das 1754 Meter hohe Hupfleitenjoch. Oben angekommen tut sich wieder ein neues Panorama auf: Hallo Alpspitze! Der pyramidenförmige 2628 Meter hohe Gipfel ist das Wahrzeichen von Garmisch-Partenkirchen und leuchtet in der Nachmittagssonne. An dessen Hängen geht es nun im leichten Auf und Ab immer weiter herunter in Richtung Tal, bis nach insgesamt fünf Stunden die Bergstation der Kreuzeckbahn erreicht ist. Während man in einer der runden Gondeln erschöpft in Richtung Loisachtal schwebt, kann man den Blick noch einmal schweifen lassen. Tief unten liegen die Dächer von Garmisch-Partenkirchen, im Norden die Ausläufer der Bayerischen Voralpen. Eine Gruppe von Wanderern hat aber immer noch nicht genug und interessiert sich für einige auffällig zackige Gipfel weit hinten im Osten. "Das ist das Karwendel-Massiv, da geht es morgen hin", meint einer. Die anderen nicken erwartungsvoll. Die Tour durch das Höllental macht offensichtlich Lust auf mehr!