Ein Unternehmen versilbert Müll
15. November 2010Dieser Wust soll also wertvoll sein. In einer hüfthohen Wellpappkiste winden sich dünne Metallbänder, die aussehen wie achtlos entrollte Filmbänder. Mit seiner Hand greift Bernard Markowis tief in die Schachtel hinein, zieht wahllos ein Band heraus und hält es seiner Besucherin unter die Nase. Es leuchtet rot. "Da ist jede Menge Kupfer drin", sagt er, "aber auf diesem Kupfer sieht man den kleinen silbrigen Kontakt.“ Mit seinem Zeigefinger deutet Markowis auf einen Silberklecks, der nicht größer ist als ein Stecknadel-Kopf.
Die Industrie macht's Doduco schwer
Seit dreißig Jahren recycelt Markowis bei der Firma Doduco Edelmetalle, und seit dreißig Jahren muss er mit ansehen, wie ihn die Industrie wieder und wieder auf die Probe stellt. In Kühlschrankwänden, in Salben, in PC-Tastaturen - immer öfter ist dort Silber enthalten, aber immer öfter in solch geringen Mengen, dass es sich für Markowis nicht lohnt, den Schatz zu heben, denn das Silber zu recyceln ist teuer.
Hinter Markowis stehen Öfen, die ein wenig Stahlwerk-Stimmung verbreiten. In jeden dieser Öfen passen bis zu 700 Kilo der angelieferten Metallbänder. Bei eintausend Grad werden die Bänder zu einer homogenen "Schmelze", wie Markowis sagt. Eine kleine Probe daraus kommt ins Labor. Dort wird sie auf edle Metalle und Kupfer analysiert, schließlich das Gewicht festgestellt. So kann Doduco genau mit seinen Kunden abrechnen. Wer Doduco nicht traut, kann selbst unabhängige Probenehmer beauftragen und eine eigene Analyse erstellen lassen.
Wie bei schmutziger Wäsche
Erst nach der Analyse geht die eigentliche Trennarbeit los. Der Preis fürs Recyceln berechnet sich dann je nach Aufwand, sagt Robert Sorber, Produktmanager für Silberpulver bei Doduco. Sorber und Markowis können nicht nur schmelzen. Ihr Repertoire umfasst mehr: abbrennen etwa, oder mit Elektrolyse trennen, beziehungsweise mit Chemie. Je mehr Sorber sein Repertoire ausspielen muss, desto teurer wird es für den Kunden. Wie bei der Wäscherei, sagt Sorber. Fürs Waschen zahle man Geld und die Kleidung bekomme man wieder. "Bei uns bekommt man sein Edelmetall zurück und man zahlt für das Reinigen Geld.“
Doduco hat Tochterfirmen in Spanien, Mexiko und China. Recycelt wird allerdings ausschließlich in Deutschland. Die Tochterfirmen schicken sogar ihre edelmetallhaltigen Abfälle ins Mutterland. Mit einer Ausnahme: China. Dort dürfen die Abfälle nicht exportiert werden. China hat das Potential von Abfällen als Rohstoffquelle längst erkannt, lagert Abfälle ein, die später einmal Geld bringen könnten. Schließlich wird das Recycling von Edelmetallen immer besser. Früher mussten mindestens fünf Prozent Silber im angelieferten Material stecken, heute reicht Sorber und Markowis schon ein Prozent. Ein Prozent - und Markowis bringt die Maschinerie in Gang: Schmelzen, Brennen, Chemie, Elektrolyse, was immer nötig ist.
Einer der größten Silberproduzenten weltweit
In einem rechteckigen Becken stecken in regelmäßigen Abständen Metallplatten, durch die Strom läuft. Das Becken ist mit einer bläulichen Flüssigkeit gefüllt. An den Seiten der Metallplatten wachsen Silberkristalle. "Jedes Frauenherz schlägt da höher, wenn es das sieht“, sagt Markowis, sucht kurz nach einer Bestätigung im Gesicht seiner Besucherin und fährt mit seiner Erklärung fort. Weil die Kristalle wachsen, würden sie irgendwann eine Brücke zur nächsten Platten schlagen - und einen Kurzschluss provozieren. Damit das nicht passiert, wird jede der Platten alle zwanzig Minuten angehoben und wieder nach unten gelassen. Die Kristalle fallen ab und können wegtransportiert werden.
400 Tonnen Silber recycelt Doduco im Jahr. Nur ihr größter Konkurrent, die Allgemeine Gold- und Silberscheideanstalt, die ebenfalls in Pforzheim sitzt, schafft das auch. Wäre Doduco ein Staat, dann wäre er unter den Silberproduzenten der Welt die Nummer 13, rechnet Armin Nittel vor, Vertriebsleiter im Bereich Edelmetallrecycling. Nähme man alle deutschen Silberrecycler zusammen, kämen sie sogar auf den fünften Platz. Nittel ist trotzdem noch nicht zufrieden, weil nach wie vor 60 Prozent des verbrauchten Silbers irgendwann im Müll landen. Die Quote will Nittel in Zukunft verbessern.
Ein Kilo gegen eine Tonne
Der hohe Silberpreis hilft Nittel dabei - und erschwert ihm gleichzeitig die Arbeit, weil die Industrie ihrerseits immer neue Wege sucht, das teure Material noch sparsamer einzusetzen, als sie das ohnehin schon tut. Und trotzdem ist die Silberkonzentration im Müll immer noch höher als im Erz, sagt Nittel. Für zwei bis drei Gramm Gold oder Silber müsse man im Bergwerk eine Tonne Gestein bewegen. Nittel bewegt gerade einmal ein Kilo Müll. Umweltschutz ist das in Nittels Augen. Und nicht nur das: Ein Fünftel des nachgefragten Silbers sei recycelt. Beim Gold liege der Anteil sogar noch höher. "Recycling", da ist sich Nittel sicher, "ist ein ganz wichtiger Faktor, um die ganze Wirtschaft überhaupt mit Edelmetallen zu versorgen."
Autor: Jutta Wasserrab
Redaktion: Andreas Becker