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Ein Streit um versöhnende Worte

Martin Fritz16. März 2015

Premierminister Shinzo Abe versucht die "nationale Ehre" Japans durch Änderungen am Geschichtsbild wiederherzustellen. Auch zum 70. Jahrestag des Kriegsendes will Abe neue Akzente setzen.

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Japan Angela Merkel mit Premierminister Shinzo Abe PK in Tokio (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/T. Hanai

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte kürzlich bei ihrem Besuch in Tokio Japan indirekt zur Aussöhnung mit seinen Nachbarn ermutigt. Sie sagte, Deutschland habe seine Kriegsschuld anerkannt und Frankreich sei bereit gewesen, die Hand zu reichen. "Die Aufarbeitung der Vergangenheit ist Teil der Voraussetzung, Versöhnung schaffen zu können", sagte Merkel nach einem Gespräch mit Premierminister Abe bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Sie wolle jedoch keine Ratschläge geben. Dazu verzog ihr Gastgeber keine Miene.

Aber wenige Stunden nach der Abreise der Kanzlerin betonte Außenminister Fumio Kishida, es sei "unangemessen", Japan und Deutschland beim Umgang mit der Kriegsvergangenheit einfach zu vergleichen. Es gebe Unterschiede, was mit beiden Ländern während des Krieges geschehen sei. Damit dürfte Kishida die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki sowie die verheerende US-Feuerbombardements von japanischen Städten gemeint haben. Zudem seien Deutschland und Japan von anderen Nachbarn umgeben, erklärte Kishida, ohne dies genauer auszuführen.

Japan Ex-Premierminister Tomiichi Murayama (Foto: Reuters)
Die wegweisende Rede von Ex-Premier Tomiichi Murayama 1995 wird jetzt wieder in Frage gestelltBild: Reuters/T. Hanai

Erklärung zum 70. Jahrestag der Kapitulation

Die offizielle Reaktion auf die Merkel-Worte fiel so schnell und deutlich aus, weil Japan gerade intensiv über die angemessene Würdigung des Zweiten Weltkrieges diskutiert. Traditionell gibt die Regierung zu jedem runden Jahrestag der japanischen Niederlage am 15. August 1945 eine rückblickende Erklärung ab. An dem Tag hatte der japanische Kaiser im Radio die Kapitulation verkündet. 1995 erklärte der sozialistische Premierminister Tomiichi Murayama "tiefes Bedauern" über Japans "koloniale Herrschaft und Aggression". 2005 wiederholte der Konservative Junichiro Koizumi die Formulierungen fast wortwörtlich.

Doch der jetzige Regierungschef Shinzo Abe möchte zum 70. Jahrestag der Kapitulation die Aussagen von Murayama lediglich "als Ganzes" bekräftigen, aber ansonsten den Akzent verschieben. Ein Gremium von Historikern, Journalisten und Intellektuellen, das am 25. Februar erstmals tagte, soll Vorschläge für angemessene Formulierungen erarbeiten. Zu den inhaltlichen Vorgaben für die Experten gehören Japans Versöhnungsanstrengungen nach dem Krieg und die Zukunft der nachbarschaftlichen Beziehungen, nicht aber die Kriegshandlungen.

Protest ehemaliger "Trostfrauen" Japans in Südkorea(Foto: picture alliance/ap)
Protest von sogenannten "Trostfrauen" 2013 vor der japanischen Botschaft in SeoulBild: picture-alliance/AP Photo

Verbündete und Nachbarn üben Druck aus

Allerdings ist der internationale Druck auf Abe groß. Seine Verbündeten, darunter die USA und Deutschland, erwarten, dass sich Japan am Jahrestag unverändert zu seiner Kriegsschuld bekennt. Die Nachbarn haben die gleiche Haltung. Chinas Premier Li Keqiang verlangte am Wochenende, die japanische Regierung müsse die Verantwortung für die "Verbrechen der Vergangenheit" übernehme. Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye forderte Japan zum ehrlichen Umgang mit der Kriegsvergangenheit auf. Insbesondere solle Japan die Verantwortung für die sexuelle Ausbeutung koreanischer Frauen durch die japanische Armee übernehmen, sagte Park. Bisher tut Japan in diesem Punkt jedoch das Gegenteil.

Ende Oktober setzte das Abe-Kabinett eine Kommission mit dem Auftrag ein, "konkrete Maßnahmen zu überlegen, wie sich Japans Ehre in Bezug auf die Trostfrauen wiederherstellen lässt". So schönfärberisch werden in Japan die bis zu 200.000 Frauen aus asiatischen Ländern genannt, die als Prostituierte in japanischen Soldatenbordellen arbeiteten. Unabhängige Historiker haben nachgewiesen, dass viele Frauen unter Mitwirkung der Kaiserlichen Armee zur Sexarbeit gezwungen wurden. Dagegen behaupten die Revisionisten in Japan, sie hätten dies freiwillig getan. Das Außenministerium verlangte über seine Botschaft bereits entsprechende Korrekturen in US-Schulbüchern.

Japan Kronprinz Naruhito beim Joggen (Foto: Reuters)
Kronprinz Naruhito hat sich in die Debatte eingeschaltetBild: Reuters/I. Kato

Trostfrauen-Bekenntnis wird untergraben

1993 hatte der damalige Kabinettssprecher Yohe Kono offiziell eingestanden, dass die Frauen gegen ihren Willen von privaten Vermittlern teilweise im Auftrag des Militärs rekrutiert wurden. Doch schon 2007 hatte das Kabinett Abe während dessen erster, kurzer Amtszeit behauptet, es gebe keine Beweise für eine Verwicklung des Militärs. Außerdem habe die Kono-Aussage keine bindende Wirkung auf spätere Regierungen. Im Juni 2014 erklärte das zweite Kabinett Abe, das Kono-Statement beruhe nur auf dem ungeprüften Zeugnis von 16 Koreanerinnen. Außerdem habe Südkoreas Regierung an der Formulierung mitgewirkt.

Diese stete Distanzierung der Regierung von Konos Erklärung könnte ein Indiz dafür sein, dass Abes Erklärung beim 70. Jahrestag ähnlich revisionistisch ausfallen könnte. Diese Aussicht hat nun sogar die Kaiserfamilie auf den Plan gerufen. Eigentlich verbietet die Verfassung dem Tenno und seiner Familie politische Aussagen. Dennoch verlangte Kronprinz Naruhito jetzt öffentlich ein "korrektes" Kriegsgedenken. "Es ist wichtig, mit Bescheidenheit auf unsere Vergangenheit zurückzuschauen und diese tragische Erfahrung korrekt von der Kriegs- zur Nachkriegsgeneration zu überliefern", sagte der künftige Tenno anlässlich seines 55. Geburtstags.