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Neuer Tschernobyl-Sarg

Martin Schrader17. September 2007

Baumängel des Atomkraftwerks in Tschernobyl und Bedienungsfehler lösten 1986 einen Super-GAU aus. Mehr als zwanzig Jahre später ist nun der Bau einer neuen Schutzhülle für den Katastrophen-Reaktor besiegelt worden.

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Ortsschilder mit ukrainischen Ortsnamen -- EPA/SERGEY DOLZHENKO +++(c) dpa - Report+++
Diese Schilder zeigen, welche Dörfer durch das Unglück unbewohnbar wurdenBild: picture-alliance/dpa
Luftaufnahme des AKW Tscherobyl +++(c) dpa - Bildfunk+++
Luftaufnahme des AKW Tschernobyl (Archivbilder)Bild: picture-alliance/dpa

Der Reaktorunfall von Tschernobyl am 26. April 1986 gilt nach der Katastrophe von Majak (1957) als zweitschwerste nukleare Havarie weltweit. Nach Einschätzung von Greenpeace sind nach der Tschernobyl-Katastrophe 93.000 Menschen an Krebs gestorben oder werden noch sterben. Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA geht von 4000 Tschernobyl-Toten aus.

21 Jahre nach der Katastrophe hat die ukrainische Regierung am Montag (17.09.2007) mit einem internationalen Industrie-Konsortium namens Novarka einen Vertrag über den Bau einer neuen Schutzhülle für den Katastrophen-Reaktor unterzeichnet. Die Kosten dafür werden auf mehr als 500 Millionen Dollar beziffert. Finanziert wird der Bau aus einem internationalen Fonds, den die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) verwaltet. In den vergangenen zehn Jahren haben darin 23 Länder und die EU mehr als 800 Millionen Euro eingezahlt.

Poröser Sarg

Nach dem Unglück in Reaktor 4 des Atomkraftwerks hatten die sowjetischen Behörden einen Stahlbeton-Sarg über den Katastrophen-Reaktor bauen lassen. Mehr als 90.000 Arbeiter waren im Einsatz, die sich stellenweise vor einer zweimillionenfach erhöhten Strahlendosis schützen mussten. Der Reaktor-Sarg sollte das strahlende Material von der Umwelt abschirmen. Die eilig errichtete Hülle war jedoch eine Notgeburt. Hitze, Regenwasser und Schnee zerfraßen den Beton, die Stahldecke rostet, ist an vielen Stellen undicht. Die Angst wächst deshalb in der Region, es könne mehr und mehr Strahlung austreten.

Tschernobyl Karte
Diese Karte zeigt die Ausbreitung der radioaktiven Verschmutzung 1986

1997 wurden deshalb nach einer Initiative der G7 und der EU Pläne geschmiedet, über den Reaktor-Sarg eine weitere Kuppel zu bauen. Diese soll weitaus stabiler sein und die Umwelt besser schützen. Der Auftrag für den Bau geht nun an das Novarka-Konsortium. Es steht unter französischer Führung. Beteiligt sind daran unter anderem die französischen Unternehmen Vinci und Bouygues.

Herausforderung für Ingenieure und Bauarbeiter

"Die Bauarbeiten sind ohne Beispiel in der Geschichte der Ingenieurskunst", meint die EBRD über dieses Projekt. Die neue Kuppel werde die Form eines großen Bogens erhalten, der den GAU-Reaktor mitsamt Sarg überspannen soll. Die Höhe werde etwas mehr als hundert Meter betragen, der Durchmesser 260 Meter, die Länge 150 Meter. "Sie ist hoch genug, um unter sich die Kathedrale von Notre Dame verbergen zu können", schreibt die EBRD.

Die Kuppel wird in einer Entfernung von einigen hundert Metern vom GAU-Reaktor vorgefertigt und anschließend zum Unglücksreaktor transportiert, um den Arbeitern eine Montage vor Ort zu ersparen und die Strahlenbelastung für sie zu mindern. Die Kuppel soll dann am Reaktor aufgerichtet und darüber geschoben werden. Die Haltbarkeit der Konstruktion wird mit 100 Jahren angegeben. Unter der Schutzhaube sollen später weitere Arbeiten an Reaktor 4 erfolgen.

Kritik von Greenpeace

Greenpeace-Mitarbeiter Tobias Münchmeyer bezweifelt, dass die neue Kuppel die beste Verwendung ist für die halbe Milliarde Dollar, die die Weltgemeinschaft gegeben hat. "Das dringendste Problem scheint uns zu sein, den Zufluss von verseuchtem Kühlwasser in die Umwelt zu stoppen." Weil ein Zwischenlager für die Reaktoren 1 und 3 fehle, müssen nach Münchmeyers Worten immer noch Brennelemente der Reaktoren gekühlt werden. Das Wasser dafür verschmutze die Umwelt. "Für dieses Geld hätte man deshalb zuerst ein Zwischenlager bauen sollen", meint der Greenpeace-Mann.

Münchmeyer kritisiert auch die Angaben der ukrainischen Regierung und der EBRD über die Menge der radioaktiven Materialien, die noch in Reaktor 4 enthalten sein soll. Die EBRD schätzt die Menge auf 95 Prozent der ursprünglich verstrahlten Materialien. Greenpeace meint, es sei vielmehr umgekehrt: Der größte Teil der Strahlung sei bereits bei dem Unglück und in den Jahren danach ausgetreten.

Informationen über die Ukraine erhalten Sie hier.