Ein Kronprinz auf der Suche nach Sympathien
28. März 2018Eigentlich könnte der Deal ganz gut an der Wall Street stattfinden. Die New Yorker Böse wäre kein schlechter Platz, um fünf Prozent des saudischen Erdölunternehmens Aramco auf den Aktienmarkt zu bringen - wenn nur die Umweltschützer nicht wären. Die nämlich, fürchten die Wirtschaftsberater des saudischen Königshauses, könnten nach einem Börsengang in New York einen Prozess gegen Aramco anstrengen. Und der könnte erheblichen Ärger bringen - nicht nur, was das Ansehen des Unternehmens betrifft, sondern vor allem mit Blick auf die Finanzen: Ein Gerichtsverfahren in den USA wegen Umweltverschmutzung könnte, wenn man es verlöre, Bußgelder in empfindlichem Maß nach sich ziehen. Also ist die Wall Street aus saudischer Sicht nicht zwangsläufig einer der ersten Orte für den Börsengang.
Die eher diskret geführten Diskussionen um einen Teilverkauf des saudischen Energieriesen zeigten, was die US-Eliten in dem Königreich auf der arabischen Halbinsel in erster Linie sehen: einen attraktiven Wirtschaftspartner. Dass die Handelsbeziehungen auch für US-Präsident Donald Trump ganz oben auf der Agenda stehen, musste der saudische Kronprinz und Verteidigungsminister Mohammed Bin Salman, seit einigen Tagen zu Besuch in den USA, ganz zu Anfang seines Aufenthalts erfahren.
Waffenkäufe? Bislang nur "Peanuts"
Da wurde er von Trump begrüßt, mit freundlichen Worten, wohl auch im Dank für den pompösen Empfang, den das saudische Königshaus ihm im Mai vergangenen Jahres bereitet hatte. Doch mischte sich in die freundlichen Worte auch Kritik. Saudi-Arabien sei ein sehr wohlhabender Staat, erklärte der US-Präsident. Er hoffe, dass das Königreich den USA einen Teil dieses Reichtums abgebe - etwa indem es Waffen aus "der modernsten militärischen Fertigung in der gesamten Welt" kaufe.
Doch leider, führte Trump weiter aus, sei dem bislang nicht so: Seitdem Washington und Riad im vergangenen Jahr einen Waffendeal über knapp 110 Milliarden US-Dollar abgeschlossen hätten, hätten die Saudis erst sehr wenige Waffen gekauft - "Peanuts" geradezu, wie Trump es beschrieb. Beobachter der Szene berichteten von einem gequälten Mienenspiel des Kronprinzen in jenen Momenten.
"Ein aggressiver Jung-Herrscher"
Geschäfte sind derzeit offenbar die wesentliche Grundlage der saudisch-US-amerikanischen Beziehungen. Weniger stark scheint hingegen das politische Einvernehmen. "Hinter den warmen Worten und Foto-Terminen gab es wenig ernsthafte Übereinkünfte", berichtet das Internet-Magazin Al-Monitor. "Zugleich wächst außerhalb der Regierung die Kritik an dem Prinzen und dem Königreich."
Daran ändern wohl auch die Bemühungen in Riad wenig, sich mithilfe des Kronprinzen ein neues Image zu geben. "MBS", wie Al-Dschasira Mohammed Bin Salman abkürzt, solle als neuer "andersartiger Politikertyp" inszeniert werden, schreibt der dem saudischen Könighaus freilich nicht allzu freundlich gesonnene Sender aus Katar. Der Kronprinz solle als Erneuerer erscheinen, der im Königreich für ein neues Frauenbild und eine gemäßigte Religion eintrete.
Dieses Image scheint im Westen aber noch nicht allzu viele Anhänger gefunden zu haben. Zwar setze sich der Thronfolger tatsächlich für die Frauen ein, schreibt die Nahost-Expertin Charlotte Wiedemann auf dem der Deutschen Welle verbundenen Internet-Portal Qantara. Aber das, so Wiedemann mit Blick auf seinen rigorosen Umgang mit potentiellen Rivalen, dürfe über eines nicht hinwegtäuschen: "Hier wächst in Windeseile ein aggressiver Jung-Herrscher heran, dem im Königreich bereits jetzt kaum jemand mehr in den Arm fallen kann." Ähnlich sieht es auch der Politologe Nader Hashemi von der universitären Josef-Korbel-School in Denver: "Saudi-Arabien weiß, dass es ein Image-Problem hat", so Hashemi gegenüber Al-Dschasira.
Eine verheerende Intervention
Dass Image-Problem gründet vor allem auf der Außenpolitik des Landes. Die vor drei Jahren losgetretene Intervention im Jemen dauert weiterhin an, ohne nennenswerte Resultate außer steigenden Opferzahlen auf Seiten der jemenitischen Zivilbevölkerung: Im Verlauf des Krieges sind bislang 10.000 Unbeteiligte gestorben, rund 53.000 wurden verletzt. Millionen Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht, zudem hat die Ausbreitung der Cholera epidemische Ausmaße angenommen.
Zwar haben Saudi-Arabien und die Vereinten Arabischen Emirate - auch diese nehmen an dem Feldzug teil - den Vereinten Nationen rund 930 Millionen US-Dollar zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Jemen gespendet. Doch auch dies konnte UN-Generalsekretär Antônio Guterres nur bedingt besänftigen: "Militärische Eskalation ist keine Lösung", erklärte er. Das Ende des Jemen-Krieges könne nur politisch erreicht werden.
Die Furcht der Saudis vor dem Iran
Eine politische Lösung dürfte aber weiter auf sich warten lassen. Denn Saudi-Arabien fühlt sich vom Jemen weiterhin bedroht. 100 Raketen feuerten die Huthis, die Feinde der Saudis, bislang aus dem Jemen in Richtung des Königreichs ab. In saudischer Lesart stammen diese Raketen überwiegend aus iranischer Fertigung.
Kritisch sehe sein Land auch das im Januar 2016 in Kraft getretene Atomabkommen, sagte Bin Salman während seines Besuchs in den USA. Seine Worte lassen die Sorge Riads erkennen, der Iran könnte womöglich trotz des Abkommens weiter an der Entwicklung von Atomwaffen arbeiten. "Wenn sie (die Iraner, d. Red.) eine Atomwaffe haben, dann haben sie ein Schild, unter dessen Schutz sie im Nahen Osten alles tun können", erklärte der Verteidigungsminister. Sein Land, deutete der Kronprinz an, werde notfalls seinerseits auf Atombomben setzen.
Lösungen ließen sich nur politisch erzielen, sagte Guterres. Offen ist, ob sich Saudis und Iraner die Botschaft zu Herzen nehmen.