Alles in einem
25. März 2009Ein dunkler Hinterhof in einer ruhigen Moskauer Seitenstraße. Wie wir hierhin gefunden haben, ist ein Rätsel. Jetzt noch einmal um die Ecke, dann stehen wir vor einer dicken Eisentür. "OGI" steht auf dem winzigen Schild, mehr nicht. Dabei versteckt sich hinter der Tür einer der bekanntesten Underground-Klubs in Moskau.
Essen, Feiern, Lesen und Tanzen
Das Projekt "OGI": drei Kellerräume, Kneipe, Konzertbühne, Diskothek und Buchladen. Seit sechs Jahren gehe ich regelmäßig hierhin. Seit sechs Jahren hat sich hier nichts verändert - und das ist etwas Positives im sonst so hektischen Moskau. Nastja, Mascha und ich haben Glück: Ein Tisch gleich neben dem großen verstaubten Bücherregal, das eine ganze Wand des niedrigen Kellergewölbes einnimmt, ist noch frei. Das Bier gibt es im Halb-Liter-Krug. Der Abend kann beginnen.
Das Projekt "OGI" ist vor zehn Jahren entstanden. Es war einer der ersten Klubs in Moskau, in dem man nicht nur essen und feiern, sondern auch Lesungen, Konzerte oder Kinofilme sehen konnte. Heute ist das "OGI" entspannt und gemütlich und vor allem ungeschminkt. "In Moskau gibt es nicht so viele Orte, wo es so normale, mehr oder weniger kreative, einfach angezogene Leute gibt. Wo du einfach hinkommst, Musik hörst und dich unterhälst", erklärt Nastja. Zwei Tische weiter steht eine Gruppe in regelmäßigen Abständen auf. Hier wird Geburtstag gefeiert, deshalb werden die Trinksprüche zum Wodka im Stehen absolviert.
Vom Konzert in die Buchhandlung
Um halb elf geht im Nebenraum das Konzert los. Die Musiker vom Ensemble "4'33''" können auf der engen Bühne kaum aufrecht stehen, so viele Scheinwerfer und Lüftungsrohre hängen von der niedrigen Decke. Etwa 50 Zuhörer drängen sich zwischen den Tischen. Das "OGI" ist kein Konzertsaal, sondern Provisorium. Gerade solche Klubkonzerte machen für mich das Moskauer Nachtleben aus. "Hier sind angenehme und positive Leute. Die meisten sind wohl eher klug, denken nach und in jedem Fall lesen sie", beschreibt Michail Rjabtschikow das Publikum.
Der Chef des OGI sitzt selbst mit Freunden am Tisch, direkt gegenüber der Buchhandlung. In dem kleinen Raum reichen die Regale so hoch, wie es die gewölbte Decke zulässt. Hier findet sich vieles, was kommerzielle Buchläden nicht haben. Mascha blättert im "Blauen Sofa", einer Moskauer Zeitschrift für Philosophie, während Nastja und ich bei den CDs und Filmen schauen. "Hier ist der russische Rock", sagt Nastja. "Grazhdanskoje Oborona hat natürlich einen Ehrenplatz, aber viele Gruppen kenne ich nicht, muss ich zugeben."
Ein Taxi für alle Fälle
Nebenan wird die Musik wieder lauter. Zwei junge Mädels tanzen zwischen den Tischen. Als wir um fünf Uhr gehen, ist die Party in vollem Gange.
Die Metro hat dagegen längst zu. Also halte ich einen altes Auto an, verhandle über den Preis und ab geht es Richtung Bett. Gennadi, mein Fahrer, ist fast jedes Wochenende unterwegs, um sich ein bisschen Geld zu verdienen. "Hier kannst du so viele seltsame Leute treffen, wie du willst. Besonders wenn die Menschen schon getrunken haben. Manche schalten Musik ein und fangen schon im Taxi an zu tanzen. Es passiert aber auch, dass die Fahrgäste dir ihr Herz ausschütten", sagt er. Das werde ich heute ganz sicher nicht. Ich hab einen schönen Abend gehabt, aber jetzt will ich nur noch schlafen.
Die Adresse des "OGI":
Potapowskij pereulok 8/12
Metro: Tschistyje Prudy
Tel.: (495) 927 57 76
Autor: Erik Albrecht
Redkation: Julia Kuckelkorn