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Ein Priester gegen Rebellen im Kongo

Isabelle Hartmann/Julia Hahn15. November 2013

Benoît Kinalegu kritisiert öffentlich die Grausamkeiten der LRA-Rebellen und riskiert damit sein Leben. Human Rights Watch hat den kongolesischen Priester nach Europa eingeladen - als "Stimme der Gerechtigkeit".

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Priester Benoît Kinalegu aus dem Kongo (Foto: Human Rights Watch)
Bild: Human Rights Watch

Zwei Mal am Tag steigt Benoît Kinalegu auf sein Motorrad und fährt durch die Region Haut-Uele, im Norden der Demokratischen Republik Kongo. Er leitet hier das Komitee für Frieden und Gerechtigkeit der römisch-katholischen Kirche. Doch für die Bewohner ist der kräftige Mann mit dem breiten Lächeln einfach nur "Abbé Benoît".

In Haut-Uele hat der Geistliche seine schwierigste Mission: Er will die Gräueltaten der Lord's Resistance Army (LRA) gegen die Zivilbevölkerung systematisch dokumentieren. Die selbsternannten Gotteskrieger überziehen große Gebiete Zentralafrikas seit mehr als 20 Jahren mit Terror und Gewalt. Kinalegu spricht mit ihren Opfern und deren Angehörigen, über Ängste, Verluste, Traumata. Seitenweise Notizen hat er schon gesammelt und eines Tages will er damit nach Den Haag in die Niederlande fliegen, um vor dem Internationalen Strafgerichtshof auszusagen - als Zeuge gegen Joseph Kony, den Chef der LRA. Doch der hält sich nach wie vor irgendwo im zentralafrikanischen Dschungel versteckt. Selbst einem multinationalen Spezial-Suchtrupp ist es bislang nicht gelungen, ihn zu fassen.

Menschen auf der Flucht vor der LRA (Foto: ddp)
Etwa 300.000 Menschen sind vor der Gewalt geflohenBild: AP

Ein Priester wird zum Aktivisten

"Ich werde erst Ruhe finden, wenn meine Landsleute wieder sicher schlafen und leben können - ohne die ständige Angst vor dem nächsten Tag", sagt Kinalegu. Von seinem Engagement hat der Priester auch bei einem Ehrendinner von Human Rights Watch (HRW) am Dienstag (12.11.2013) in München berichtet. Die Menschenrechtsorganisation hatte Kinalegu 2012 den "Alison des Forges"-Preis verliehen. Damit werden jedes Jahr Persönlichkeiten geehrt, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um die Würde und Rechte anderer zu verteidigen. Jetzt touren Kinalegu und weitere Preisträger als "Stimmen der Gerechtigkeit" durch Europa und die Welt.

Der Priester, der zum Aktivisten wurde, hat laut HRW den "Mut, die Stimme zu erheben, wenn alle schweigen". Seit 2007 macht sich Kinalegu in seiner Heimat für Entwaffnungsgesetze und die Weiterbildung von Bürgerrechtlern stark. Einer seiner größten Erfolge im Kampf gegen die Rebellen ist jedoch ein Frühwarnsystem: Über Radio können sich Betroffene gegenseitig vor Vorstößen und Angriffen der LRA warnen. Das Netzwerk erreicht etwa 250.000 Menschen in den Distrikten Haut- und Bas-Uele sowie im Grenzgebiet zu Uganda, darunter Einwohner sowie Mitarbeiter von Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen. Außerdem gründete Benoît Kinalegu 2010 ein Rehabilitationszentrum für traumatisierte Babys und Kindersoldaten. "Mir ist es wichtig, dass wenigstens einige Kinder in einem halbwegs sicheren, stabilen Umfeld aufwachsen können, statt in schwer traumatisierten Familien, die ständig auf der Flucht sind", sagt Kinalegu.


Kampf gegen die Barbarei

Karte von Uganda und seinen Nachrbarländern (DW)
In Uganda gegründet, ist die LRA heute auch im Kongo, im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktiv

Die LRA gilt als eine der brutalsten Milizen der Welt. Ihr Ziel: die Errichtung eines Gottesstaates auf Grundlage der christlichen Zehn Gebote. Gegründet 1987 als Widerstandsbewegung gegen die ugandische Regierung unter Präsident Yoweri Museveni, terrorisiert die paramilitärische Gruppe unter Rebellenchef Joseph Kony inzwischen auch den Norden der Demokratischen Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik und den Südsudan. Die LRA mordet, vergewaltigt, hackt ihren Opfern Ohren und Gliedmaßen oder verbrennt sie bei lebendigem Leibe. Immer wieder entführen die Rebellen Kinder, um sie als Soldaten oder Sklaven zu missbrauchen. Nach Angaben von Human Rights Watch hat die LRA seit 2008 knapp 3000 Menschen getötet und mehr als 4000 entführt. Mehr als 300.000 Menschen seien vor der Gewalt geflohen.

Dieser Barbarei wollte Benoît Kinalegu nicht länger tatenlos zuschauen - und auch nicht auf die internationale Politik warten. "Wir begrüßen die Initiativen der Afrikanischen Union, der US-Regierung und des Weltsicherheitsrates, der ja auch viele Strategien der Afrikanischen Union mit aufgenommen hat und diese unterstützt", sagt er. "Aber wir müssen auch sicherstellen, dass die verschiedenen Initiativen umgesetzt werden und zu dem Ziel führen, Joseph Kony zu fassen und die LRA zu beseitigen."

LRA-Chef Joseph Kony 2006 (Foto: afp)
Gesucht: LRA-Chef Joseph KonyBild: Stuart Price/AFP/Getty Images

Auch dafür hat Kinalegu bereits eine Idee: Er will ein spezielles Programm auf die Beine stellen, das die LRA-Rebellen überzeugt, die Waffen niederzulegen und auszusteigen. "Wir müssen ihnen eine Perspektive bieten. Sie brauchen die Sicherheit, dass aus ihnen etwas werden kann, wenn sie aussteigen. Wenn uns das gelingt, können wir Joseph Kony isolieren." Bis dahin bleibt der kongolesische Priester eine Zielscheibe der LRA. Angst habe er nicht, sagt Kinalegu. Er wolle weitermachen, bis die Rebellen besiegt seien.