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Ein Jungunternehmer räumt im Ostkongo auf

Judith Raupp6. Januar 2015

Goma, eine Millionenstadt im Osten des Kongo, ist weltweit bekannt für Bürgerkriegs- und Flüchtlingsdramen. Ausgerechnet hier hat ein junger Unternehmer die erste Müllabfuhr der Region gegründet.

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Der Müllunternehmer von Goma
Bild: DW/J. Raupp

Zwei Arbeiter in blauen Overalls schütten Abfall aus einer Plastiktonne in eine rostige Schubkarre. Die zerren sie anschließend über einen holprigen Kiesweg zu einem bereitstehenden Lastwagen. Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen hieven sie den 60 Kilo schweren Müll auf die Pritsche. Müll abzutransportieren in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo ist Schwerstarbeit.

Der Jungunternehmer Joël Tembo Vwira verlangt viel von seinen Angestellten. Der umtriebige 34-Jährige hat sich etwas vorgenommen, was noch niemand geschafft hat: Er will aus Goma eine Oase der Reinlichkeit machen.

Vor sieben Jahren gründete Vwira die Müllfirma Business and Services Company - ausgerechnet in Goma, der Metropole einer Region, die seit zwanzig Jahren für Bürgerkrieg, Chaos und Gewalt steht. Die Umwelt sauber zu halten, daran verschwendete unter diesen Umständen lange Zeit niemand seine Gedanken hier - bis auf Vwira. Er habe "das Thema Sauberkeit als Herausforderung" betrachtet, wie er erzählt. "Insbesondere das Fehlen einer Müllabfuhr." Bevor er 2008 sein Unternehmen gründete, habe in Goma jeder seinen Abfall einfach irgendwohin geschmissen. "An wichtigen Orten, wie Kreuzungen oder Hauptstraßen, bildeten sich so öffentliche Müllhalden. Das hat mich aufgebracht", erinnert sich der Unternehmer.

Unternehmer Vwira zeigt einen Stapel blauer Plastikmülleimer Foto: DW/Raupp
Unternehmer Vwira hat neue Abfalleimer aus Kenia importiertBild: DW/J. Raupp

Reinlichkeit, gibt Vwira unumwunden zu, sei eine Art Obsession für ihn. Schon als Kind habe er sich ständig gewaschen. Heute begleitet ihn eine Flasche Desinfektionsmittel überall hin. Bevor er Essen anfasst, Bücher, Akten oder ein Glas Wasser, schmiert er sich die Hände damit ein. Bestärkt in seinem Kampf um Sauberkeit haben ihn Besuche in Kenia. Dessen Hauptstadt Nairobi sei viel ordentlicher und sauberer als Goma, sagt er. Von dort importiert er für seine Firma auch die Mülleimer aus buntem Plastik.

Einladung nach Amerika

Die amerikanische Botschaft im Kongo hat den Mut des Jungunternehmers belohnt. Im Rahmen des US-Regierungsprogramms "Young African Leaders Initiative" für Nachwuchsführungskräfte durfte Vwira 2014 zwei Monate lang Geschäftsleuten in den USA seine Firma vorstellen, Kurse in Unternehmensführung besuchen und über seine Zukunftspläne reden. Überall erntete er Lob.

Zu Hause in Goma erreicht Vwira vorläufig aber nur die Reichen, was ihm immer wieder Kritik einbringt. Elf Dollar pro Monat müssen die Kunden für die wöchentliche Müllabfuhr bezahlen. Das ist zu viel für die meisten Kongolesen. Die Menschen sind arm. Das Land steht im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen auf dem vorletzten Platz.

Trotzdem schätzen viele Anwohner in Goma die Müllabfuhr. Denn mit dem Abfall verschwinden auch einige Krankheiten. "Dank der Müllabfuhr können wir unseren Abfall sammeln und unsere Umgebung sauber halten", sagt etwa die 40 Jahre alte Ärztin Annie Muyisa. "Das ist besonders wichtig für Kinder." In Goma sterben immer wieder Babys an Durchfall, weil sie buchstäblich im Dreck leben müssen. Viele Menschen leiden an Atemwegserkrankungen. Denn in den Stadtvierteln der Armen verbrennen die Menschen ihren Abfall direkt vor der Hütte. Die meisten wissen nicht einmal, dass giftige Dämpfe aufsteigen können, wenn Plastiktüten und Flaschen schwelen.

Der Müllunternehmer von Goma
Aus seiner Müllkippe will Vwira einen modernen Recyclinghof machenBild: DW/J. Raupp

Recycling nach europäischem Vorbild

Vwiras Mitarbeiter fahren den Müll mit dem Lkw über holprige Pisten zu einer Halde rund 20 Kilometer außerhalb Gomas. Es stinkt faulig, Fliegenschwärme schwirren über dem Abfall. Wenn die Arbeiter nicht da sind, sammeln hier Straßenkinder Metall, Konserven oder Plastikflaschen ein. Sie streiten um alles, was sie vielleicht zu Geld machen können. Manchmal prügeln sie sich sogar darum. Vwira gefällt das nicht. Er bangt um die Gesundheit der Kinder. Der Schuttplatz sei zu nahe an den Dörfern. Bald wolle er ein neues Terrain finden, sagt er.

Die Arbeiter auf dem Platz sortieren mit Hacken den Müll. 70 Prozent kommen auf den Komposthaufen. Vwira verkauft den so gewonnenen Humus an Gartenbesitzer. Plastiktüten gibt er an ein Projekt für benachteiligte Frauen weiter. Sie waschen und desinfizieren die Tüten und flechten daraus Haarschmuck und Mützen.

Vwiras Unternehmen erzielt inzwischen einen Jahresumsatz von rund 60.000 US-Dollar. Etwa 15 Prozent davon bleiben als Gewinn übrig. Für die großen Pläne des Firmengründers ist das aber noch zu wenig. Denn Vwira möchte einen großen Recyclinghof nach europäischem Vorbild bauen. Dafür müsste er 1,5 Millionen Dollar investieren.

Der Müllunternehmer von Goma Foto: DW/Raupp
Vwiras Ziel ist eine Recyclingquote von 100 ProzentBild: DW/J. Raupp

Hoffnung auf die Politik

Manche sagen, Vwira sei verrückt. Doch der verhandelt bereits mit den Vereinten Nationen: "Wir hoffen, dass wir aus dem Umwelt- und aus dem Entwicklungsprogramm Forschungsgelder bekommen", sagt er. Damit will er seine Recyclingsparte so aufrüsten, dass er alle Abfälle aus Goma wiederverwerten kann.

Aus der Politik bekommt Vwira bisher wenig Unterstützung. Der Kongo habe noch nicht einmal ein Gesetz, das eine fachgerechte Abfallentsorgung vorschreibe, erzählt er. Auch die Aufklärung der Bevölkerung über Hygiene und Umweltschutz genieße in der Krisenregion im Ostkongo wenig Aufmerksamkeit. Vwira sagt, es liege auch an der Mentalität, dass nur fünf Prozent der Bevölkerung in der Millionenstadt Goma eine Müllabfuhr nutzten. Auf dem Land dagegen gebe es einen solchen Service überhaupt nicht.

Der Unternehmer hofft, dass die Provinzregierung endlich ein Abfallgesetz verabschiedet, das eine fachgerechte Versorgung für alle zur Pflicht macht. Er ist eine Kämpfernatur. Schon das Studium der Betriebswirtschaftslehre finanzierte er mit dem Verkauf von Benzin, Brot und Telefonkarten. Und auch jetzt will er nicht locker lassen: Langsam sei sogar bei den Behörden mehr Engagement für die Umwelt zu erkennen, sagt Vwira. "Ich bin optimistisch für die Zukunft".