Politkowskaja Mord
7. Oktober 2007Sie war für viele ein Vorbild, hatte sich bei den Mächtigen aber unbeliebt gemacht: Anna Politikowskaja galt in Russland mit ihren kritischen Artikeln über die Politik des Kreml und die Lage in Tschetschenien als Symbolfigur für mutigen Journalismus. Am 7. Oktober 2006 wurde sie in ihrem Haus in Moskau erschossen. Nach der Tat herrschte Trauer und Entsetzen, in Russland und weltweit.
Die russische Führung versuchte zunächst, den Fall herunterzuspielen: Selbstverständlich werde der Fall aufgeklärt werden, gab Präsident Wladimir Putin zu Protokoll - doch die Journalistin Polikowskaja sei eher unbedeutend gewesen. Ihr Tod habe der russischen Regierung mehr geschadet als ihre kritischen Artikel.
Pannen bei den Ermittlungen
Lange Zeit schien es keine Fortschritte bei den Ermittlungen zu geben. Doch Ende August 2007, zehn Monate nach dem Mord, verkündete der russische Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika überraschend einen großen Erfolg: "Wir haben ernsthafte Fortschritte im Fall der ermordeten Journalistin Politikowskaja gemacht."
Zehn verdächtige Personen seien festgenommen worden, teilte der Generalstaatsanwalt mit. Schon bald sollten erste Anklagen folgen - stattdessen wurden zahlreiche Pannen bekannt. Ein festgenommener Geheimdienstoffizier hatte angeblich nichts mit dem Fall zu tun, drei Verdächtige mussten wegen Mangels an Beweisen wieder frei gelassen werden. Dann wurde auch noch der Chefermittler ausgewechselt.
Diese Entwicklungen sorgten bei vielen für Misstrauen und Skepsis - auch bei Poltikowskajas ehemaligen Arbeitgebern, der Zeitung "Nowaja Gazeta". "Bisher sind die Ermittlungen ganz gut gelaufen. Mich stört nur, dass es Kräfte mit besonderen Interessen gibt, die versuchen, alles durcheinander zu bringen, indem sie vertrauliche Informationen an die Medien geben", sagte Sergej Sokolow, leitender Redakteur der Zeitung. Auf diese Weise seien weitere Verdächtige gewarnt worden, meinen Sokolow und seine Kollegen.
Russische Justiz sucht Drahtzieher im Ausland
Besonders umstritten ist die Auffassung der russischen Justiz, die eigentlichen Auftraggeber des Mordes seien im Ausland zu suchen - es handle sich um "Staatsfeinde", die Russlands Ansehen schaden wollten. Damit mache es sich die russische Justiz zu einfach, meint Elke Schäfter, die deutsche Geschäftsführerin der internationalen Journalistenorganisation "Reporter ohne Grenzen". Ihr nüchternes Fazit ein Jahr nach dem Mord: "Der Mord ist jedenfalls nicht aufgeklärt und die Drahtzieher sind noch nicht bekannt." Bisher wurde ein ehemaliger tschetschenischer Verwaltungsangestellter angeklagt, der die Adresse von Politkowskaja weitergegeben und damit den Mord ermöglicht haben soll.
Preise als Erinnerung an die Journalistin
Solange die Ermittlungen andauern, wird in Russland und vielen anderen Ländern einiges unternommen, damit Anna Politkowskaja nicht in Vergessenheit gerät. Demonstrative Unterstützung gibt es aus den USA und Europa: Die kritische Journalistin bekam posthum einen bedeutenden Demokratiepreis in Washington verliehen, in Brüssel wurde sie für den renommierten Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments nominiert. Auch in Russland selbst bleibt die Erinnerung an eine Journalistin, die für die Pressefreiheit und unabhängige Berichterstattung eingetreten ist. "Das Wichtigste ist, dass wir uns an die Journalistin erinnern, die für diese Ideen ihr Leben gelassen hat", sagt Alexander Tkatschenko, Vorsitzender der Schriftstellervereinigung "PEN-Zentrum" in Moskau.
Zum ersten Todestag von Anna Politikowskaja wird es zahlreiche Gedenkveranstaltungen und Mahnwachen geben - in Moskau und anderen russischen Städten sowie in zahlreichen Ländern Europas.