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Beiruts Kulturschätze werden restauriert

Nadine Wojcik
4. August 2021

Die Explosion in Beiruts Hafen traf auch viele Kulturinstitutionen. Das British Museum in London hilft, von der Explosion zerstörte Artefakte zu restaurieren.

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Vier Mitarbeiter sitzen mit Mundschutz und Plastikhandschuhen auf dem Boden und sammeln Glasscherben ein.
Mühsame Puzzle-Arbeit: Scherbenhaufen im Archäologischen Museum der American University of Beirut (AUB)Bild: The Trustees of The British Museum

Die Explosion in Beirut ereignete sich am 4. August 2020 um 18:08 Uhr Ortszeit. Die Wucht der Druckwelle erschütterte die libanesische Hauptstadt und forderte 205 Todesopfer. Mehr als 300.000 Menschen wurden innerhalb von Sekunden obdachlos. Auch das Archäologische Museum der American University of Beirut steht buchstäblich vor einem Scherbenhaufen. Obwohl mehr als drei Kilometer vom Hafen entfernt, wo die 2750 Tonnen Ammoniumnitrat Feuer gefangen und detoniert haben, zerbrechen 74 kostbare antike Glasartefakte in hunderte Einzelstücke. 

Und nicht nur die: In den Scherbenhaufen mischen sich auch zerbrochene Fensterscheiben und die ebenfalls zerschmetterte Glasvitrine, in der die kostbaren Gefäße ausgestellt waren. Nach einer zermürbenden Puzzle-Arbeit wird klar: Nur 15 Glasgefäße können noch gerettet werden, der Rest ist unwiederbringlich zerstört.

Akribische Rettung von kulturellem Erbe

Unterstützung zur Rekonstruktion der noch zu rettenden Artefakte kommt nun vom British Museum in London. "Glas ist ein sehr schwierig zu rekonstruierendes Material", sagt Sandra Smith, Leiterin der Sammlungspflege. Es sei ein "heikler Prozess", da die Scherben unter Spannung wieder zusammengefügt werden müssten. Da nicht alle Objekte transportfähig sind, können nur acht in London restauriert werden. Das British Museum hatte den Kollegen in Beirut bereits unmittelbar nach der Explosion seine Unterstützung zugesagt. Direktor Hartwig Fischer freut sich, dass dank der Expertise und der Ressourcen seines Hauses es nun möglich sei, die Artefakte zu retten, die daraufhin "noch viele Jahre lang im Libanon bestaunt werden können". Finanziell unterstützt werden die britischen Konservierungsarbeiten von der European Fine Art Foundation (TEFAF). I

Im Anschluss an die Restaurierung werden die Glasgefäße in London zeitweilig ausgestellt und schließlich nach Beirut zurückgebracht. Von einem "starken Symbol für den Heilungsprozess und die Widerstandskraft nach der Katastrophe" sprach daher Hidde van Seggelen, Vorsitzender der TEFAF. Die jahrtausendalten Gefäße dokumentieren die Entwicklung der Glasherstellung und umfassen unter anderem seltene Schalen, eine Parfümflasche und einen Becher.

Beleuchtete Vitrine zeigt antike Glasgefäße wie Becher, Vasen und Schalen.
Vor der Explosionskatastrophe 2020: Vitrine mit jahrtausendealten Glasgefäßen Bild: The Trustees of The British Museum

Zerstörte Kulturlandschaft

Die Seele der Stadt: Beiruts Kultur verfällt

Bei der verheerenden Explosion vor einem Jahr verloren nicht nur 300.000 Menschen ihre Wohnungen und Häuser. Auch rund 640 historische Gebäude seien von der Explosion in Mitleidenschaft gezogen worden, hieß es von der UNESCO, die sich bei der Einschätzung auf das libanesische Kulturministerium berief.

Darunter auch das renommierte Sursock-Museum, die größte Kulturinstitution für zeitgenössische Kunst. Das historische Gebäude liegt nur 800 Meter vom Hafen entfernt. Zwar hielt die Fassade der Detonation stand, doch der Innenraum, die farbigen Fenster und ausgestellte Kunstwerke wurden schwer beschädigt. Besonders der durch die Detonation aufgewirbelte Staub setzte der Sammlung stark zu. Vier Monate dauerte es, um allein die Innen- und Lagerräume zu säubern. Die meisten Gemälde konnten vor Ort gereinigt werden, das Porträt des Kunstmäzens Nicolas Sursock, das 1930 von dem Niederländer Kees van Dongen gemalt wurde, wird derweil vom Centre Pompidou in Paris restauriert. Eine Wiedereröffnung des Museums ist erst im Frühjahr 2022 geplant.

Weißer Palast mit zwei seitlichen, geschwungenen Aufgängen, davor ein Schuttberg.
Sursock-Museum: Vor der Explosion zierten farbige Scheiben den KunstpalastBild: Caroline Blumberg/picture alliance/dpa/MAXPPP

Schleppender Neuanfang

Die Detonation traf nicht nur die Zivilbevölkerung, sondern auch die Kunstszenehart. Insbesondere die Stadtviertel rund um den Hafen waren zuvor das pulsierende, kulturelle Herz der Stadt. Unzählige kleine Galerien, alternative Veranstaltungsorte und Ateliers wurden mit einem Schlag zerstört. Es wird voraussichtlich Jahre dauern, bis sich die Kreativszene neu etabliert hat - nicht nur wegen fehlender finanzieller Mittel, sondern auch aufgrund mangelnden politischen Willens. Zudem haben viele Künstler und Musiker wegen fehlender Perspektive das Land verlassen.

Skulptur aus Stahl steht in einem teils zerstörten Hafen.
"The Gesture" im Hafen von Beirut - erschaffen aus Trümmerteilen der ExplosionskatastropheBild: Houssam Shbaro/AA/picture alliance

Ein Zeichen wollte der Maler und Bildhauer Nadim Karam setzen. Gemeinsam mit einem rund 30-köpfigen Team aus Freiwilligen erschuf er aus Trümmerteilen der Explosionskatastrophe eine Stahlskulptur, die der Stadt eine Blume entgegenstreckt. "The Gesture" ("Die Geste") heißt das 25-Meter-hohe Kunstwerk, das an die Opfer erinnern und den Beirutern Hoffnung geben soll.